München – Die Opposition übt massiv Kritik an der Infektionsschutz-Reform. Innenexperte Konstantin Kuhle (FDP) fordert mehr Einfluss für das Parlament.
Herr Kuhle, Sie kritisieren seit Wochen die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Nun üben Sie selbst Kritik an Gegnern der Pläne. Warum?
Man muss legitime Fragen und Kritik von Verschwörungstheorien und Diktaturvergleichen trennen. Parallelen zum Ermächtigungsgesetz von 1933 sind gefährlicher Unsinn. Natürlich kommt das Wort Ermächtigung im Infektionsschutzgesetz vor. Das ist ein üblicher Vorgang. Auch im Straßenverkehrsgesetz wird die Bundesregierung zum Handeln ermächtigt.
Das Thema bewegt viele Menschen. Bei Alexander Dobrindt gingen zuletzt 37 000 E-Mails dazu ein.
Der ist ja auch CSU-Landesgruppenchef. Bei mir waren es diese Woche auch schon 2500. Viele enthielten ähnliche Formulierungen und Bausteine. Das wirkt organisiert. Aber einige Menschen haben auch berechtigte Fragen, etwa wegen des Zitiergebots: In einem Gesetz muss stehen, welche Grundrechte von einer gesetzlichen Regelung betroffen sind. Manche glauben nun, das Infektionsschutzgesetz würde diese Grundrechte abschaffen. Das ist natürlich nicht der Fall.
Ihre inhaltliche Kritik am Gesetzentwurf bleibt?
Ja, es wurden zwar grobe handwerkliche Fehler beseitigt. Aber die Kriterien, nach denen die Landesregierungen bestimmte Maßnahmen anordnen dürfen, sind nach wie vor zu allgemein. Vor allem hätten wir uns gewünscht, dass die vom Bundestag festgestellte epidemische Lage von nationaler Tragweite nur fortbesteht, wenn sie, wie in Nordrhein-Westfalen, alle zwei Monate vom Parlament bestätigt wird. Jetzt haben wir eine solche Lage, im Sommer hatten wir sie nicht.
Die Regierung argumentiert, das Parlament sei im Zweifel zu langsam.
Das ist exekutive Arroganz. Das Parlament hat etwa schnell das Kurzarbeitergeld beschlossen. Es soll nicht jede Einzelmaßnahme entscheiden, jedoch generelle Abwägungen für Grundrechtseinschränkungen vornehmen.
Die aktuelle Änderung des Infektionsschutzgesetzes geht Ihnen aber zu schnell.
Anfang November wurde der Entwurf vorgelegt, am Donnerstag war eine Anhörung, mit massiver Expertenkritik. Montag wurden zahlreiche Änderungen vorgelegt, über die am selben Tag der Gesundheitssauschuss beraten sollte und heute Bundestag und Bundesrat endgültig abstimmen sollen. Etwas mehr Zeit muss die Opposition haben, sich damit zu befassen.
Werden die Corona-Verordnungen mit dem neuen Gesetz gerichtsfester?
Das ist zwar schwer zu prognostizieren, wir werden es aber sehr bald erfahren. sr