München – So fahrig wie am Montagabend haben die Deutschen die Bundeskanzlerin lange nicht erlebt. Mehrfach verhaspelte sich die sonst so nüchterne Angela Merkel. Es war ein harter Tag. Und weiß Gott kein erfreulicher. Mit einem dicken Paket voller Maßnahmen war ihr Kanzleramt in die Corona-Beratungen gestartet, die allermeisten wurden von den Ministerpräsidenten gekippt. Letztlich vertagte sich die Runde auf 25. November. Diesmal, da sind sich alle einig, soll die Absprache im Vorfeld besser klappen – weshalb hinter den Kulissen schon früh über einzelne Maßnahmen gesprochen.
Sicher ist noch nichts. Aber unserer Zeitung liegt ein Positionspapier aus der bayerischen Staatskanzlei vor, aus dem hervorgeht, wohin die Reise geht: Die Verschärfung der Kontaktbeschränkungen könnte demnach weniger streng ausfallen als in dem Vorschlag, den das Kanzleramt am Montag unterbreitet hatte. Die Reduktion auf einen einzigen Kontakt pro Haushalt hatte für breiten Unmut gesorgt, vor allem bei Familienvertretern (siehe Seite 3). In dem Papier heißt es steht stattdessen: „Die Bürger sind aufgerufen, die Personengruppe des anderen Hausstandes möglichst konstant zu halten.“ Es handelt sich also nicht um ein Verbot beziehungsweise Gebot, sondern einen Appell.
Im Bildungsbereich blieb es – wenn es nach Bayern geht – bei der bisherigen Maßgabe: Schulen und Kitas blieben geöffnet. Allerdings: Nur bis zur siebten Klasse sowie für Abschlussklassen soll grundsätzlich weiter Präsenz-unterricht erfolgen. „In besonderen Infektionshotspots wird in allen Schularten ab der 7. Jahrgangsstufe das sogenannte Wechselmodell eingeführt. Für die je Klasse zu bildenden Gruppen wechseln sich Präsenz- und Distanzunterricht ab“, heißt es. Über die Frage, was ein Infektionshotspot ist, entscheide das örtliche Gesundheitsamt auf Grundlage der Sieben-Tage-Inzidenz. Den kritischen Wert, was ein Hotspot ist, lässt das Papier noch offen.
Auch an den Grenzen soll wieder schärfer kontrolliert und die Einhaltung der Quarantäneverordnungen überwacht werden. „Die Bundespolizei wird deshalb bis nach den Weihnachtsferien an den Grenzübergängen verstärkt den Nachweis der erfolgten Online-Anmeldung kontrollieren“, steht im Papier.
Die Maßnahmen haben natürlich das Ziel, die Zahl der Neuinfektionen weiter nach unten zu drücken. Merkel und Söder hatten am Montag klar einen Inzidenzwert von 50 als Ziel ausgegeben. Bislang wurde auch immer ein möglichst normales Weihnachten als Ziel angeführt. Im Papier rückt man davon ab: „Dieses Weihnachten wird nicht mit früheren Weihnachten vergleichbar sein. Es wird nur Begegnungen im kleinen Familienkreis geben können“, heißt es. Bereits jetzt empfehle man für die Planungen, Besuche auf die Kernfamilie (also Großeltern, Eltern, Kinder) zu beschränken, größere Verwandtschaftstreffen abzusagen „und die Tage vor Weihnachten unter besonderer Beachtung der allgemeinen Hygieneregeln zu verbringen, um Infektionsrisiken zu minimieren“.
Bislang waren die Vorlagen für die Treffen stets im Kanzleramt entstanden – und oft schon am Vorabend in der Presse gelandet. Die Ministerpräsidenten fühlten sich dadurch immer öfter vor vollendete Tatsachen gestellt. Auch deshalb wollen die Länder nun selbst aktiver werden. Die Federführung liegt eigentlich beim Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, der Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist. Söder als Vertreter der unionsgeführten Länder fungiert als Stellvertreter. Das Papier dürfte deshalb auch als Arbeitsgrundlage der Unionsländer dienen. Ein Sprecher der Staatsregierung sagte auf Anfrage: „Es gibt kein autorisiertes Papier zu möglichen weiteren Maßnahmen. Ohnehin müsste ein gemeinsamer Beschlussvorschlag aus dem Bundesland Berlin kommen, das aktuell den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz inne hat. So ein Vorschlag liegt bislang nicht vor.“