„Wir können Wunder vollbringen“

von Redaktion

VON MARTINA HERZOG UND TERESA DAPP

Berlin – Das Land hat einen düsteren Corona-Winter vor Augen, doch Annalena Baerbock setzt auf Hoffnung. „In diesem schlimmen Jahr zeigt sich, auf welch rauer See wir leben, was alles passieren kann“, führt die Grünen-Chefin aus, als sie am Freitagabend den Parteitag der Grünen eröffnete. „Doch was das Virus kann, das können wir schon lange!“ Schnell finde die Menschheit einen Impfstoff. „Wir können Wunder bewirken.“

Damit ist der Ton gesetzt für eine Rede, die Mut machen soll zum „sozial-ökologischen“ Umbau einer ganzen Gesellschaft. Dazu braucht die Partei Verbündete. „Wir müssen ehrlich sein: Wir Grünen können eine sozial-ökologische Marktwirtschaft nicht alleine bauen – nicht mit 20 Prozent, auch nicht mit 30“, erklärt Baerbock, deren Partei auf eine Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl im kommenden Herbst hofft. „Dazu braucht man in einer Demokratie Mehrheiten, eine grundsätzliche Akzeptanz und die Bereitschaft der Menschen mitzumachen.“

Was auch ein offenes Ohr für jene bedeute, die fürchten, sie könnten bei diesem Umschwung den Kürzeren ziehen. Zum Versprechen des Klimaabkommens von Paris gehöre: „Dieser Wandel muss für alle funktionieren: Für den Kumpel ebenso wie für die Handwerkerin.“ Das zielt auf einen Vorwurf, den die Grünen vom politischen Gegner oft zu hören bekommen – sie hätten vor allem gut gebildete, relativ wohlhabende Städter im Blick. Aber 2021 wollen die Grünen mit der Union um den Sieg in der Bundestagswahl-Konkurrieren, dafür müssen sie sich breit aufstellen.

Die Corona-Krise könne zum Augenblick des Aufbruchs werden, sagte Baerbock. „Wir können uns neu sortieren, uns neu entscheiden – grundsätzlich. Machen wir 2021 zum Beginn einer neuen Epoche.“

Das wäre so ein Satz, bei dem die Halle jubelt bei jedem normalen Parteitag. Doch Baerbock liest ihre Rede getragen in die Stille.

Vor ihr stehen in der Berliner Veranstaltungshalle Tempodron aber nur Kameras. Neben dem Parteivorstand und dem Präsidium sind vor allem technische Mitarbeiter und Journalisten vor Ort. Die 800 Delegierten sitzen zuhause. Wer von ihnen jubeln will, tut es geräuschlos: Wer einen „Applaus geben“-Button in Form einer Sonnenblume drückt, kann vom heimischen Schreibtisch, Sofa oder aus der Küche Blumen oder Herzchen auf den Bildschirm des Livestreams schicken. Abstimmen, im Chatroom plaudern, auch das geht.

Baerbocks Botschaft nach außen: „Fürchtet euch nicht, diese Klima-Revolution ist in etwa so verrückt wie ein Bausparvertrag.“ Es geht noch nichts ums Programm für die Bundestagswahl 2021, aber Baerbock und Mit-Parteichef Robert Habeck lenken die Grünen schon lange auf einen Kurs, für den sie das Wort „Führungsanspruch“ geprägt haben. Etwas deutlicher sagt es Bundesgeschäftsführer Michael Kellner: Es gehe darum, die Union aus dem Kanzleramt hinaus zu befördern.

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