Neue Töne im State Department

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

München – Kurz vor der US-Wahl stellte sich Anthony Blinken einigen US-Journalisten in einer Zoom-Konferenz. Ob er damals schon wusste, dass er einmal Joe Bidens Außenminister werden würde, ist offen. Aber für eine führende Rolle, beispielsweise als Sicherheitsberater, war der 58-Jährige schon damals gehandelt worden. Kein besonders schillernder Typ, keiner für die ganz großen Schlagzeilen. Aber einer, der sich seit Jahrzehnten mit nichts anderem als Außenpolitik beschäftigt. Sprich: Genau das, was die USA nach dem Abschied von Donald Trump brauchen werden.

„Führung, Kooperation und Demokratie“ nannte Blinken in dem Gespräch als Schlagworte für die neue US-Politik. Was er dann darlegte, war nichts anderes als eine 180-Grad-Wende: Die Welt organisiere sich nicht allein, sagte der Biden-Vertraute. Wo man ein Vakuum hinterlasse, regierten entweder schlechte Schauspieler oder das Chaos. Während Trump „America first“ praktizierte und die USA ihre Truppen abzogen, werden sie nun wieder mitmischen und den Druck erhöhen. „Die gute Nachricht ist, dass das Biden-Team weiß, auf welcher Seite die USA stehen“, schrieb die „Washington Post“.

Vieles deutet darauf hin, dass sich Blinken daran machen wird, die in vier Jahren von Trump zerschlagenen Scherben wieder zu kitten. Etliche Diplomaten hatten in dieser Zeit dem State Department den Rücken gekehrt, hunderte Jobs blieben unbesetzt. Aber viele harrten aus. „Jemand muss das Chaos ja irgendwann wieder aufräumen“, sagte ein hochrangiger Diplomat vor Monaten. Unter Blinken scheint diese Zeit gekommen: Er dürfte versuchen, die USA zurück in das Pariser Klimaabkommen zu führen und den gekündigten Atom-Deal mit dem Iran wieder in Kraft zu setzen. Prominente Unterstützung erhält er von John Kerry: der ehemalige Außenminister soll US-Sonderbeauftragter für das Klima werden.

Fast sein ganzes Leben hat der 58-Jährige in Washington Außenpolitik betrieben. Erst als Bidens Stabschef im US-Senat, während der künftige Präsident den Auswärtigen Ausschuss leitete. Von 2009 bis 2013 war er dann nationaler Sicherheitsberater des Vize-Präsidenten Biden. Und von 2015 bis 2017 schließlich stellvertretender Außenminister hinter Kerry. Aus dieser Zeit stammt auch ein Video, das Blinken in der „Sesamstraße“ zeigt: Dem „Krümelmonster“ erklärt er da einfühlsam das harte Los von Flüchtlingen. Wer den Ton der Trump-Regierung im Ohr hat, kann sich vorstellen, dass im State Department ganz neue Zeiten anbrechen. Inhaltlich, aber vor allem auch im Ton.

Blinken ist nicht die einzige Personalie: Für die Schlüsselfunktion des nationalen Sicherheitsberaters im Weißen Haus soll Biden den 43-jährigen Jake Sullivan nominiert haben. Auch Sullivan, ein enger Vertrauter der ehemaligen Außenministerin Hillary Clinton, war bereits im Außenministerium und ab 2013 als nationaler Sicherheitsberater Bidens tätig. Sullivan wäre damit oberster Berater des neuen Präsidenten für nationale Sicherheitsfragen. Der nationale Sicherheitsberater spielt traditionell im Führungskreis des Präsidenten eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung der Außen- und Sicherheitspolitik. Ein prominenter Name wird für das Finanzministerium gehandelt. Laut Medienberichten soll Ex-Notenbankchefin Janet Yellen Ministerin werden. Die 74-Jährige würde damit die erste Frau an der Spitze des US-Finanzministeriums werden.

Die 68 Jahre alte Diplomatin Linda Thomas-Greenfield soll US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen werden. Sie war 35 Jahre lang im Außenministerium tätig. Alle von Biden nominierten Kabinettsmitglieder müssen noch vom Senat bestätigt werden. Dort haben derzeit die Republikaner eine knappe Mehrheit. (mit dpa)

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