Washington – Donald Trump, der nun langsam die Unvermeidlichkeit seiner Niederlage einzusehen scheint, berief einst Rex Tillerson als Außenminister in sein Kabinett. Besondere Qualifikationen für das prestigeträchtige Amt hatte der Texaner, der als Vorstandschef des Ölkonzerns Exxon gearbeitet hatte, nicht – außer der Tatsache, dass er regelmäßig für die Republikaner gespendet hatte. Die Personalie Tillerson wurde für Trump zum Desaster. 60 Prozent der führenden Beamten im Außenministerium reichten unter ihm den Rücktritt ein, und nach 13 Monaten musste der Öl-Mann seinen Schreibtisch räumen.
Ähnliche Fehler will Joe Biden unbedingt vermeiden. Der neue Präsident setzt auf Kompetenz, Erfahrung, Vielfalt und Berechenbarkeit – und bemüht sich damit gleichzeitig, dem Ruf der Partei nach mehr Frauen und Minderheiten-Vertretern gerecht zu werden. Gleichzeitig belohnt er im Gegensatz zu Trump keine Lobbyisten und vermeidet auch allzu kontroverse Berufungen. Denn der Senat muss traditionell die meisten Kabinettsmitglieder bestätigen. Und erst im Januar wird feststehen, ob die Republikaner in dieser Kongresskammer weiter das Sagen haben werden.
Vor allem die Nominierung des Berufs-Diplomaten Antony Blinken als Außenminister dürfte auch die transatlantischen Partner beruhigen. Blinken ist als verbindlicher, nicht von Ideologien geprägter Pragmatiker bekannt und gilt – im Gegensatz zum derzeitigen Amtsinhaber und „America First“-Propagandisten Mike Pompeo – als nicht-konfrontativ.
Auch die Nominierung von Jake Sullivan, dem früheren Stabschef Hillary Clintons, als Nationaler Sicherheitsberater dürfte außerhalb der USA für freudige Gesichter sorgen – vor allem in Teheran. Denn Sullivan gilt als einer der „Architekten“ des Atomdeals, den Barack Obama und sechs weitere Nationen 2015 mit dem Iran unterzeichneten. Trump kündigte das Abkommen 2018 auf.
Gleichzeitig schreibt Biden mit einem Teil seiner Berufungen Geschichte. Mit Janet Yellen, der früheren Vorsitzenden der US-Notenbank, soll erstmals eine Frau das Finanzministerium leiten. Yellen wird von den Progressiven in der Partei ebenso wie von Wall-Street-Insidern und Republikanern respektiert – und wird eine der zentralen Figuren in der Regierung sein, wenn es um die Antwort Bidens auf die derzeitige ökonomische Krise geht.
Auch bei der Führung des mit 16 Behörden weit verzweigten Geheimdienste-Apparates der Weltmacht setzt der Wahlsieger auf eine Frau. Avril Haines wird künftig die Top-Spionin der USA sein, wobei ihr ihre Erfahrung als Sicherheitsberaterin Obamas und CIA-Vizechefin helfen dürfte.
Ein Novum gibt es auch bei der Besetzung des Heimatschutz-Ministeriums. Erstmals soll mit Alejandro Mayorkas ein Beamter lateinamerikanischer Herkunft dieses Amt übernehmen. In der Obama-Ära arbeitete Mayorkas bereits als Vize-Minister für die „Homeland Security“.
Mit dem früheren Außenminister John Kerry kehrt zudem eine prominente Figur in die US-Regierung zurück, an deren Kompetenz und Seriosität es im In- und Ausland keine Zweifel gibt. Kerry, der wie Sullivan nicht vom Senat bestätigt werden muss, soll für Biden als Sondergesandter für Klimafragen im „National Security Council“ sitzen – eine neu geschaffene Rolle, die das Bekenntnis des angehenden Präsidenten zum Kampf gegen den Klimawandel reflektiert. Biden hat angekündigt, an seinem ersten Arbeitstag im Weißen Haus – dem 20. Januar 2021 – die Rückkehr zu den Pariser Klimaverträgen anordnen zu wollen.
Bei der Berufung der künftigen Botschafterin bei den Vereinten Nationen – ein Posten mit Kabinettsrang – kehrt Biden zum Vielfalt-Faktor zurück. Mit Linda Thomas-Greenfield wird künftig eine Afro-Amerikanerin in den Hallen des UN-Glaspalastes wandeln. Auch sie kommt mit Erfahrung aus der Ära Obama/Biden – und war dort in leitender Funktion für die Beziehungen zu Afrika tätig.