Bayerns Sonderweg light

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Markus Söder offenbarte sich schon am späten Mittwochabend. Statt zu böllern, sei er an Silvester lieber drinnen bei den Hunden, sagte Bayerns Ministerpräsident in Berlin. Seit gestern weiß man, dass es seine Minister Melanie Huml und Michael Piazolo ähnlich halten. Aus der Reihe tanzt Hubert „Spaß an Raketen“ Aiwanger. So sei sie halt, die „Temperamentsverteilung“, sagt Söder nach der Sitzung seines Kabinetts. „Herr Piazolo und ich kümmern uns eher um Tiere, und der Hubert ist Jäger.“

Das ist, wie so oft, ein Satz mit Zwischentönen – in diesem Fall klingt er anerkennend. Bayern wird die neuen Corona-Beschlüsse des Bundes erst mal nur in Nuancen nachschärfen. Die Zurückhaltung dürfte auch Aiwanger geschuldet sein, der bei den Corona-Maßnahmen stets für einen liberaleren Kurs wirbt. Gleich nach der Berliner Einigung am Vorabend hatte er getwittert, man solle „den Bogen nicht überspannen“. Gefühlt braute sich da ein Münchner Kabinetts-Gewitter an. Es kam anders.

Im Großen und Ganzen setzt der Freistaat die bundesweit vereinbarten Maßnahmen um. Auch an Silvester soll es, anders als zunächst vermutet, keinen Sonderweg geben. Söder hatte zum Jahreswechsel eigentlich strengere Kontaktbeschränkungen mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten durchsetzen wollen. Nun sollen, wie an Weihnachten, Feiern zu zehnt möglich sein. „Alles andere entspricht nicht der Lebensrealität“, sagt er und betont, man müsse die Zahl von zehn ja nicht ausschöpfen. Die Feiertage blieben „eine Herausforderung“.

Dafür soll an anderer Stelle härter durchgegriffen werden. Die 24-Stunden-Regel, die Tagesausflüge ins Ausland ohne anschließende Quarantäne erlaubt, fällt weg. Heißt: Auch wer einen Kurztrip zum Skifahren in Tirol plant, muss danach zehn Tage in Quarantäne. Ausnahmen sollen nur bei triftigen Gründen wie Arbeit, Schule oder familiären Angelegenheiten gelten.

Auch bei den Schulen geht Bayern über die Bund-Länder-Vereinbarungen hinaus, zumindest ein wenig. Ab einem Inzidenzwert von 200 soll es in Schulklassen ab der 8. Jahrgangsstufe künftig automatisch Wechselunterricht mit geteilten Klassen geben, sofern kein Mindestabstand eingehalten werden kann. Ausnahmen gelten für Förderschulen und Abschlussklassen. Kitas und Grundschulen bleiben offen. Ab einer Inzidenz von 300 sind weitere Verschärfungen auch in Schulen angedacht. Zudem sind Reihentests und Ausgangsbeschränkungen möglich. Entscheiden sollten die Kreisverwaltungsbehörden in Abstimmung mit der Regierung, sagt Söder. „Dass aber bei 300 gar nichts passiert, geht nicht.“

Söder wäre wohl lieber schärfer vorgegangen. Je milder der Lockdown sei, desto länger dauere er halt, sagt er. Nun brauche es Geduld. Aiwanger sieht insgesamt „die Balance gewahrt“. Die Opposition trägt die Maßnahmen teilweise mit. Während AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner über „Willkür-Politik“ schimpft, lobt SPD-Fraktionschef Horst Arnold die Hotspot-Strategie und mahnt, wegen des früheren Ferienstarts am 19. Dezember eine „zuverlässige Notbetreuung“ einzurichten. Die soll es laut Kultusminister Piazolo (FW) für möglichst viele Eltern geben.

Eines aber bleibt unbeantwortet: Wie geht es mit dem Lockdown nach dem 20. Dezember weiter? Aiwanger hofft insgeheim, „zum Jahreswechsel „wieder auf Grün zu schalten“, vor allem in der Gastronomie. Söder sieht dafür „wenig Perspektive“ und rechnet mit einem Lockdown bis mindestens Ende Dezember. Ein dritter geht da noch viel weiter: Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte gestern im RTL-Interview, es werde noch lange Einschränkungen geben. „Das geht bis März.“

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