München – Es ist ein bisschen heimtückisch, was Katharina Schulze macht, zumindest aus Sicht der Staatsregierung. Markus Söder (CSU) hat gerade seine Regierungserklärung gehalten, hat vor dem „toxischen Gebräu“ der Querdenker gewarnt und die Verschärfung der Corona-Maßnahmen verteidigt, als die Grünen-Fraktionschefin ans Rednerpult tritt und Zustimmung antäuscht. „Wir tragen die grundsätzlichen Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz mit“, sagt sie – und holt einmal tief Luft.
Was dann in einigen fast atemlosen Minuten folgt, ist eine Auflistung an Versäumnissen, die Schulze der Staatsregierung attestiert: mangelnder „Team-Spirit“, schlechte Krisen-Kommunikation, eine dysfunktionale Teststrategie, eine verschleppte Digitalisierung von Gesundheitsämtern und Schulen. „Sie werden Ihrer Fürsorgepflicht für Bayern nicht gerecht“, ruft sie gegen den aufbrandenden Protest der Regierungsfraktionen. „Es ist schon bitter, wo wir nach acht Monaten Pandemie stehen.“
Söder schaut leicht gequält, was womöglich auch der strapaziösen Verhandlungswoche geschuldet ist. Die ausgeruhte Opposition hat sich ihren Ärger indes lange aufsparen müssen. Auch wenn Grüne, SPD und FDP die Maßnahmen grundsätzlich befürworten, wollen sie zumindest den Finger in offene Wunden legen und hier und da für Korrekturen werben.
Schulze fordert etwa, ab Jahrgangsstufe acht sollten Klassen grundsätzlich auf Hybrid- und Wechselunterricht umstellen – und nicht nur in Hotspots. Auch ein Böllerverbot an Silvester fände sie angebracht, zur Entlastung der Rettungskräfte. Das Jahr 2020 habe ohnehin kein Feuerwerk verdient, meint sie. Eine Wunderkerze sei da schon angemessener.
FDP-Fraktionschef Martin Hagen wird noch grundsätzlicher. „Der Lockdown light hat sein Ziel verfehlt“, sagt er. Die Infektions-Zahlen seien nicht spürbar zurückgegangen, was zeige, dass Gastronomie und Kultur „keine Infektionstreiber“ seien. Ihm fehle eine Langfrist-Strategie, sagt Hagen. Stattdessen stecke das Land in einer Endlosschleife fest. „Was Sie beschlossen haben läuft auf einen monatelangen Lockdown hinaus.“ Auch er beklagt die schleppende Digitalisierung an Schulen und Gesundheitsämtern und spricht Söder direkt an. „Sie haben den Sommer verschlafen.“
Die FDP gehört zu den fleißigsten Kritikern der Söderschen Corona-Politik, was den Ministerpräsidenten schon mal dazu brachte, die Liberalen mit der AfD in eine Schublade zu stecken. Auch am Freitag deutet er so etwas an –arbeitet sich dann aber vor allem an den Rechtspopulisten ab. Manche hätten den Ernst der Lage noch immer nicht verstanden, sagt Söder, und spricht jenes „toxische Gebräu aus Fake News, Angst, Hass und Intoleranz“ an, das er bei den Querdenkern sieht. „Das entwickelt sich richtig sektenmäßig“ und er lese immer wieder, dass auch AfDler dabei seien. Der Verfassungsschutz müsse ganz genau hinschauen.
Für die AfD spricht Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner und versucht sich an einer General-Abrechnung der Corona-Politik. Die Schutzmaßnahmen bezeichnet sie als „totalitär“, Parlamente, Gerichte und Medien hätten „fast vollständig versagt“. Zwischenrufe durchschneiden immer wieder ihre Rede, von „widerlich“ bis „Lügnerin“ ist alles dabei. Die Niederbayerin scheint das aber nur anzustacheln. Schließlich kündigt sie ein Volksbegehren an, ohne konkreter zu werden. Nur das könne die Freiheit noch retten.
Es ist der Fraktionschef der Freien Wähler, Florian Streibl, der die Dinge gleich danach etwas geraderückt. „Wir dürfen nicht auf die hören, die das Gift der Verführung in die Köpfe der Menschen senken.“