Washington – Man wird wohl nie offiziell erfahren, ob das erfolgreiche Attentat auf den prominenten iranischen Atombomben-Tüftler Mohsen Fachrizadeh die Arbeit des israelischen Geheimdienstes Mossad oder ein „Abschiedsgeschenk“ von US-Präsident Donald Trump an die Mullahs in Teheran war. Schließlich hatte ja Trump bereits bei der Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani gezeigt, dass er nicht zimperlich gegenüber jenen ist, die er als Bedrohung amerikanischer Interessen sieht. Und Berichten zufolge soll er beim Pentagon sogar die Chancen erfragt haben, in den letzten Monaten seiner Amtszeit iranische Atomanlagen zu bombardieren – was ihm die Militärs dann ausgeredet haben sollen.
Möglicherweise haben aber auch Israel, die USA und Saudi-Arabien hinter den Kulissen kooperiert, um den Wissenschaftler und seine Bewacher zu eliminieren – und damit ein klares Signal an ein Regime zu senden, das weiter nicht nur mit seinen militärischen Nuklearambitionen die größte Bedrohung des Friedens in Nahost darstellt und nun erkennen musste: Es konnte seinen wichtigsten Wissenschaftler nicht schützen.
Unabhängig von der Frage, wer für diese effiziente Aktion die Lorbeeren verdient, rückt damit auch der von Trump aufgekündigte umstrittene Atom-Deal in den Vordergrund, den einst Obama zusammen mit der Bundesregierung in Berlin, der EU und vier weiteren Nationen ausgehandelt hatte. Der designierte US-Präsident Joe Biden hat bereits durchblicken lassen, dass er das Abkommen möglichst schnell wieder reanimieren möchte, wenn der Iran zu den Spielregeln zurückkehrt.
Dabei rücken für den Demokraten offenbar die zahlreichen Punkte in den Hintergrund, die weiterhin gegen eine Neuauflage des „Deals“ sprechen und die zeigen, dass das Abkommen von Obama – der dringend ein außenpolitisches Vermächtnis brauchte – mit heißer Nadel gestrickt wurde. Obama hatte damals argumentiert, die Verträge würden den Iran davon abhalten, eine Atombombe zu bekommen, und die nuklearen Aktivitäten ausschließlich friedlich halten. Doch vieles dabei war Wunschdenken des US-Präsidenten, der Teheran dann auch noch 2016 über Nacht Paletten mit Bargeld in Höhe von rund 400 Millionen Dollar einfliegen ließ.
Vor allem wurde nach dem Abkommen die Hoffnung der internationalen Gemeinschaft enttäuscht, Teheran werde sein aggressives Verhalten in der Region adjustieren. Das Gegenteil war der Fall. Iran beteiligte sich am Bürgerkrieg in Syrien zugunsten des Despoten Bashar al-Assad und unterstützte damit das Massensterben von zehntausenden Zivilisten. Teheran, das weiter die Vernichtung Israels propagiert, fördert immer noch die terroristischen Hisbollah- und Hamas-Organisationen. Hinzu kamen die bekannten Versuche, schon vor dem Ende der Ära Obama an den „Deal“-Verpflichtungen vorbei zu arbeiten. Wie durch den Transfer von Anreicherungs-Zentrifugen in unterirdische Bunker. Ohnehin ist nicht zuverlässig nachprüfbar, ob die im Abkommen vereinbarten Obergrenzen für die Lagerung von angereichertem Uran eingehalten wurden. Denn eines der vielen Schlupflöcher des ursprünglichen Vertragswerks besteht darin, dass – in einer gesonderten Vereinbarung festgehalten – militärische Anlagen für die UN-Inspektoren absolut tabu sind. Das verleiht allen Feststellungen der Kontrolleure nur begrenzten Wert.
Dennoch hat die EU von Beginn an das Abkommen als „ultima ratio“ gepriesen und versucht, die Iran-Sanktionen der Trump-Regierung gegenüber internationalen Unternehmen aktiv zu umgehen. Teheran sieht deshalb die EU als engen Verbündeten und hat nun nach dem Attentat sogar an die Freunde in Europa appelliert, sich nicht feige zu zeigen und die Liquidierung als „internationalen Terrorismus“ zu verurteilen. Dass diese Forderung ausgerechnet von einem Haupt-Propagandisten des Terrors kommt, mutet wie purer Zynismus an. Doch die Hoffnung, wieder zu „normalen“ Zeiten beim Streben nach nuklearer Bewaffnung zurückzukehren, liegt für die Mullahs ohnehin nicht in Europa, sondern vom 20. Januar 2021 an im Weißen Haus.