Fünf Tote bei Amokfahrt in Trier

von Redaktion

VON STEFAN REICH

München/Trier – Es ist ein trüber Herbsttag in Trier. Dennoch ist die Innenstadt am Dienstag einigermaßen gut besucht. In der Fußgängerzone ist die Weihnachtsbeleuchtung aufgehängt, Tannenbäume und vereinzelte Stände mit weihnachtlichen Leckerein schmücken die schmalen gepflasterten Straßen. Einige hundert Passanten sind unterwegs im Zentrum von Deutschlands ältester Stadt, der viertgrößten in Rheinland-Pfalz.

Gegen 13.45 Uhr beginnt dann, was den 1.  Dezember 2020 zu einem der schwärzesten Tage in der Trierer Nachkriegsgeschichte machen wird.

Ein silberner SUV biegt von der Konstantinstraße in die Brotstraße am südlichen Ende der Fußgängerzone und gibt Gas. Er fährt in Zickzack-Linien auf den Hauptmarkt und dann weiter in Richtung des alten römischen Stadttores, der weltberühmten Porta Nigra. Zeugen werden später von Menschen berichten, die – vom Auto erfasst – durch die Luft flogen. Die mehrere hundert Meter lange Spur der Verwüstung lässt kaum einen Zweifel, dass der Fahrer absichtlich handelte.

Sofort eilen Rettungskräfte herbei, die Polizei sperrt großräumig ab, fordert über Twitter auf, den Bereich zu meiden. Um halb drei bestätigt sie zwei Todesfälle und eine Festnahme. Um 15.15 Uhr gibt Polizeisprecher Karl-Peter Jochem eine erste Erklärung ab. Hinter dem nördlichen Ende der Fußgängerzone, in der Christophstraße, hätten Polizisten den Geländewagen stehend angetroffen, vier Minuten nach dem ersten Notruf. Wahllos habe der Fahrer in der Fußgängerzone Menschen angefahren.

Bald kursieren Videos, die die Verhaftung zeigen: Polizisten drücken einen Mann neben einem silbernen Geländewagen auf den Boden, er wird mit gefesselten Händen an Armen und Beinen in die wenige hundert Meter entfernte Kriminaldirektion Trier getragen. Dort soll er vernommen werden. Es handelt sich um einen 51-Jährigen aus dem Kreis Trier-Saarburg, der die Stadt an der Mosel umgibt. Offenbar ist es ein Einzeltäter. Zum Tatmotiv und den Hintergründen wird zunächst nichts bekannt.

Neben dem Polizeisprecher steht Wolfram Leibe. Auf dem Weg durch die Innenstadt habe sich ihm ein „Bild des Grauens“ geboten, sagt der sichtlich berührte Trierer Oberbürgermeister. „Wir sehen solche Bilder im Fernsehen ganz oft und denken das kann bei uns nicht passieren“, sagt er. „Jetzt ist es auch in Trier passiert.“

Es, das ist offenbar eine Amokfahrt mit einem schrecklichem Ausgang. Sie fordert fünf Todesopfer: ein neun Monate altes Kleinkind, drei Frauen im Alter von 25, 52 und 72 Jahren und einen 45 Jahre alten Mann. Drei Schwerstverletzte, fünf Personen mit erheblichen und sechs mit leichteren Verletzungen sind zu beklagen. Hinzu kommen Dutzende traumatisierte Augenzeugen.

Am Abend tritt Leibe mit Landesinnenminister Roger Lewentz (SPD), Polizei und Staatsanwaltschaft vor die Presse. Leibe bedankt sich bei den Rettungskräften und den vielen Passanten, die sofort geholfen hätten. Und er dankt für die Solidarität, die ihn aus von überall erreicht habe. Die Kanzlerin übermittelte ihre Anteilnahme, Frankreich und Luxemburg boten Klinikbetten an. Die Trierer fordert Leibe auf: „Lassen Sie uns zusammen die Situation durchstehen.“ An der Porta Nigra werde man am Mittwoch einen Trauerort einrichten.

Schon am Dienstagabend zünden die Menschen dort Kerzen an. Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kommt. „Es ist einfach nur furchtbar“, sagt sie vor TV-Kameras. Unweit läuten die Glocken des Doms zum Gebet für die Opfer.

Minister Lewentz tritt vor der Presse allen möglichen Spekulationen entgegen, die den Tag über die Runde gemacht hatten. „Wir haben ein ganz klares Bild vom Täter“, sagt er. Dieses Bild präzisiert Triers Polizei-Vizepräsident Franz-Dieter Ankner. Der Amokfahrer sei 1969 in Trier geboren, deutscher Staatsbürger. Die letzten Tage habe er offenbar im Auto verbracht, war bei der Tat alkoholisiert. Nach einer ersten Begutachtung durch einen Arzt gebe es Anzeichen auf eine psychische Erkrankung, ergänzt Oberstaatsanwalt Peter Fritzen.

Ermittelt werde wegen vierfachen Mordes und vielfacher gefährlicher Körperverletzung, erklärt Fritzen. Der Mann habe töten wollen. Das Motiv sei nicht klar, aber Hinweise auf einen terroristischen, politischen oder religiösen Hintergrund gebe es nicht. Am Mittwoch soll der Beschuldigte einem Haftrichter vorgeführt werden. Dann wird entschieden, ob Haftbefehl oder die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung beantragt wird.

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