Der Machtkampf zehrt an den Nerven

von Redaktion

Der CDU-Parteitag soll komplett digital stattfinden – Das Rennen um den Vorsitz ist weiter offen

Berlin – Neulich machte bei Twitter ein Video mit Norbert Röttgen die Runde, gefilmt aus einem Bundestagsbüro gegenüber. Man sah den CDU-Politiker, wie er am Schreibtisch sitzend versuchte, einen kleinen Ball in einem Basketballkorb am Fenster zu versenken. Wenig erfolgreich zwar, dafür aber beharrlich und mit Spaß. Der Außenseiter-Kandidat für den Chefsessel der Union hat allen Grund, gelassen zu sein. Er holt offenbar auf.

Am Wochenende sollte die Hängepartie um den CDU-Vorsitz eigentlich beendet werden. In Stuttgart wären 1001 Delegierte zusammengekommen, um den Außenpolitiker Röttgen, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet oder aber den Ex-Fraktionschef Friedrich Merz zum Parteichef zu wählen. Und vielleicht wäre auch eine Vorentscheidung in der K-Frage gefallen. Aber: Corona hat’s erneut verhindert. Bereits im April musste der geplante Präsenzparteitag wegen der Pandemie abgesagt werden.

Nun soll am 16. Januar entschieden werden, wer Annegret Kramp-Karrenbauer im Vorsitz folgen darf. Am 14. Dezember wollen die CDU-Gremien das genaue Procedere beschließen. Nach Informationen unserer Zeitung steht fest, dass die drei Kandidaten ihre Bewerbungsrede ohne Publikum halten werden, da der Konvent komplett hybrid veranstaltet werden soll. Und: Es wird zunächst eine digitale Abstimmung geben, aus der zwei Kandidaten hervorgehen müssen, die in einer Stichwahl gegeneinander antreten. Dieser Urnengang wird dann unter besonderen Sicherheitsvorgaben per Brief durchgeführt. Hintergrund: Die gesetzlichen Bestimmungen für Vorstandswahlen lassen nur eine Vorauswahl per E-Mail, Internet oder App zu, aber nicht die Schlussabstimmung. Bis der endgültige Sieger gekürt ist, könnte eine weitere Woche vergehen.

Nach dem angekündigten Rückzug von Kramp-Karrenbauer wäre für die CDU dann ein anstrengender Machtkampf endlich vorbei. Wie sehr er an den Nerven der Christdemokraten zerrt, zeigte sich mal wieder am Montag letzter Woche, als es beim Thema Verteilung der finanziellen Corona-Lasten hoch her ging in der Schalte des Präsidiums. Ausgerechnet dort, wo man sonst einen gesitteten Ton pflegt. Inzwischen wird aus inhaltlichen Unterschieden in der Union regelmäßig ein brisanter, meist an die Öffentlichkeit lancierter Streit. Es fehlt an Führung. Auch schießen regelmäßig neue Spekulationen ins Kraut, ob nicht vielleicht kurzfristig andere ihren Hut in den Ring werfen könnten – Fraktionschef Ralph Brinkhaus wird genannt, nach wie vor Gesundheitsminister Jens Spahn. Dass es diese Gerüchte gibt, zeigt, wie unzufrieden viele in der CDU sind. Kramp-Karrenbauer hatte die Aspiranten mehrfach vor einem „ruinösen Wettbewerb“ gewarnt, aber auf die Saarländerin hört man offenbar nicht mehr.

Wie begrenzt ihr Einfluss mittlerweile ist, belegen zudem die Ereignisse in Sachsen-Anhalt. Die Kandidaten um den Vorsitz haben sich jedenfalls in den letzten Monaten nichts geschenkt. Besonders siegessicher gibt sich Friedrich Merz. Er ist davon überzeugt, die meisten Unterstützer hinter sich versammeln zu können. Sein Frontalangriff, das „Parteiestablishment“ wolle ihn verhindern, soll ihm demnach an der Basis nicht geschadet haben. „Merz kann vor Kraft kaum gehen“, so ein Insider.

Demgegenüber muss Armin Laschet wohl noch kämpfen. Nach wie vor heißt es, er mache parteiintern zu wenig, um für sich zu werben. Auch gab es erneut kommunikative Fehler, wie seine Äußerung, der Nachkriegsgeneration stehe das härteste Weihnachten überhaupt bevor. Ob Röttgen der lachende Dritte wird? Das letzte Wort haben im Januar (nur) 1001 CDUler. HAGEN STRAUSS

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