München – Für seine Minister muss es aussehen wie ein trügerisches Idyll. Markus Söder sitzt im Pulli mitten in einem Schneefeld im Berchtesgadener Land, hinter sich romantisch-verschneite, von blauem Himmel umspielte Gipfel. Doch der Watzmann ist nur eine Fototapete im Sitzungsraum der Staatskanzlei, aufgebaut für die Videokonferenz des Ministerrats; in der Ecke steht noch die Leiter, um ihn wieder runterzuschrauben. Es ist eh nichts beschaulich an diesem Dezembertag, denn es geht mal wieder um Tod und eingeschränktes Leben in Bayern.
In ihrer Sondersitzung am Nikolaustag beschließen Söder und seine Minister, den Lockdown in Bayern zu verschärfen. In Teilen ist das ein Kurswechsel. Nach, so hört man, mühsamen Vorgesprächen willigen auch die Freien Wähler ein, den Präsenz-Unterricht an den Schulen ab Klasse 8 zu reduzieren. Weil die Infektionszahlen beharrlich nicht sinken, wird ab Mittwoch bayernweit in täglichen Wechselunterricht geschaltet – die halbe Klasse da, die halbe daheim am Computer. Wo die Inzidenz über 200 steigt, wird nur noch per Internet unterrichtet. Dies gilt zudem ab Mittwoch überall für alle Berufsschulen.
Das ist der wohl spektakulärste Beschluss der Minister. Unter Freien Wählern heißt es, dass vor allem ihr Kultusminister Michael Piazolo Bedenken anmeldete. Er fürchtete Defizite in der Bildung. Söder musste ihn mit Nachdruck umstimmen. Später vor Journalisten redet der Ministerpräsident sehr deutlich über die Todeszahlen. „Alle vier Minuten stirbt ein Mensch in Deutschland an Corona.“ Schnelles Handeln sei nötig. Ihn empöre die Gleichgültigkeit, „mit der in Deutschland Todesfälle als Statistik abgetan werden“.
Söder kommt den Freien Wählern und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in einem Punkt entgegen: Für den Handel gibt es vorerst keine neuen Einschränkungen, auch Dienstleister wie Friseure bleiben offen. Der Ministerpräsident kann sich da durchaus Härteres vorstellen, wie im Frühjahrs-Lockdown – er sieht Probleme vor allem in großen Einkaufszentren. Das liegt nun bis mindestens Weihnachten auf Eis.
Der Rest des Pakets, mediengerecht als Zehn-Punkte-Plan geschnürt, ist weitgehend Konsens in der Koalition. Der Katastrophenfall wird wieder ausgerufen, ein technisches Ding, um vor allem die Kliniken besser zu koordinieren. Für alle Bayern gelten ab Mittwoch formal Ausgangsbeschränkungen, allerdings mit vielen Ausnahmen, unter anderem für Sport. In Hotspots mit 200er-Inzidenz – auch München nähert sich diesem Wert allmählich – gilt zudem zwischen 21 und 5 Uhr eine Ausgangssperre. Hier sind die Ausnahmen nachts schon karger: Beruf, Medizin-Notfälle, Begleitung von Tieren, nicht mehr aber Sport und ein Bierchen im befreundeten Haushalt.
Generell gilt: Treffen bleiben auf fünf Personen (über 14 Jahren) aus maximal zwei Haushalten beschränkt. Für Weihnachten wird es eine Lockerung auf zehn Menschen geben, um Familienfeiern zu ermöglichen – nicht aber für Silvester. Da wird sogar der Konsum von Alkohol unter freiem Himmel verboten. Für den Besuch von Weihnachtsgottesdiensten – Maskenpflicht und Gesangsverbot – werden Ausnahmen der Ausgangs-Limits genannt.
Für Alten- und Pflegeheime wird der Schutz verstärkt. Jeder Bewohner darf nur noch einen Besucher pro Tag empfangen, und das auch nur mit FFP2-Maske und negativem Corona-Tests. Alle Mitarbeiter in den Häusern müssen sich mindestens zwei Mal pro Woche testen lassen.
Der kleine Grenzverkehr zu Österreich und Tschechien wird eingeschränkt. Wer einfach so über die Grenze will, braucht einen Corona-Test und muss in Quarantäne. Nur Pendler (Beruf, Schule) und Besuche bei nahen Verwandten (maximal Oma/Enkel) sind privilegiert.
„Corona lässt nicht locker – wir aber auch nicht“, sagt Söder. Das ist auch ein Wink an die Koalition. Söder glaubt kaum an Entwarnung im Januar, Aiwanger spricht hingegen offensiv von Lockerungen. Vor Journalisten, als Söder nicht in Hörweite ist, sagt der Wirtschaftsminister: „Selbst wenn die Zahlen nicht unter 50 sinken“, müsse man im Januar die Gastronomie und den Tourismus wieder öffnen.