Magdeburg/Berlin – Am Ende entschied sich Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff für das Credo „Lieber nicht abstimmen als falsch abstimmen“: Der CDU-Politiker zog am Dienstag den Gesetzentwurf zum höheren Rundfunkbeitrag in Deutschland zurück. Er blockierte damit das Vorhaben – noch vor einer Abstimmung im Magdeburger Landtag. Damit umgeht er, dass seine CDU-Fraktion mit den Stimmen der AfD ein bundesweites Vorhaben stoppt, und rettet die schwarz-rot-grüne Koalition – zumindest vorübergehend.
Es ist ein brüchiger Frieden, den Haseloff so erzwingt. Nicht nur, weil ARD und ZDF nun vors Verfassungsgericht ziehen wollen, wie beide Sender gestern ankündigten. Sondern auch, weil die Spannungen innerhalb der Koalition bleiben. Hält das Bündnis bis zur Wahl im Juni 2021?
Noch im Sommer hatte Haseloff als Ministerpräsident auf ein direktes Veto gegen den Staatsvertrag verzichtet, obwohl er wusste, dass es für die Anhebung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat wegen des Widerstands seiner eigenen Fraktion keine Mehrheit gibt. Er habe damit den Weg für den weiteren parlamentarischen Prozess frei machen wollen, sagte er damals.
Doch knapp sechs Monate, zahlreiche Krisensitzungen, Intendanten-Gespräche im Landtag, bundesweite Debatten und einen Innenminister-Rauswurf später entreißt er dem Parlament diese Rolle wieder – und zieht das Gesetzesvorhaben vor der letzten Abstimmung zurück.
Er habe ermöglichen wollen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender, deren Intendanten und die Abgeordneten im Landtag die Chance nutzen, doch noch eine Zustimmung zum höheren Rundfunkbeitrag herbeizuführen, sagte Haseloff. Jetzt sei ihm schriftlich mitgeteilt worden, dass die Koalition keine gemeinsame Linie finde. Für ihn habe die Stabilität des Landes durch eine „Koalition der Mitte“ Priorität gehabt.
Aus Regierungskreisen heißt es, Haseloff habe die einzige Option gewählt, die allen Beteiligten erlaube, ihr Gesicht zu wahren: Die CDU muss zur Rettung der Koalition nicht doch noch einer Erhöhung zustimmen, SPD und Grüne müssen sich nicht an einer Blockade beteiligen und die verhinderte gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD verhindert ein vorzeitiges Aus der Kenia-Koalition.
„Das waren sicherlich die herausforderndsten Tage, die ich in meiner politischen Zeit und in meinem politischen Leben erlebt habe und mit entscheiden musste“, sagte der 66-jährige Haseloff. Die Koalition werde bis zur Landtagswahl arbeiten. Ohne den langjährigen Innenminister Holger Stahlknecht allerdings, den Haseloff am Freitag entließ. Stahlknecht hatte in seiner Funktion als CDU-Landeschef unabgestimmt herausposaunt, seine Partei werde im Falle eines Koalitionsbruchs allein weiterregieren. Haseloff betont, für ihn habe stets festgestanden, dass es keine Kooperation oder indirekte Entscheidungsprozesse mit der AfD geben dürfe.
Für die Bundes-CDU dürfte nun allenfalls ein bisschen Zeit gewonnen sein. Vor allem dem neuen CDU-Chef wird die Kernfrage Kopfzerbrechen bereiten: Wie lässt sich verhindern, dass die CDU in Thüringen und Sachsen-Anhalt im Wahljahr 2021 in den Ruch einer Nähe zur AfD gestellt wird? Dort wird Ende April und Anfang Juni gewählt, in Umfragen steht die AfD jeweils weit über 20 Prozent. Regierungsbildungen der anderen Parteien könnten schwierig werden.
Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist jedenfalls erst mal gestoppt. BR-Intendant Ulrich Wilhelm verteidigte gestern Abend in der „Rundschau“ die angekündigte Verfassungsklage. Die Rundfunkfreiheit müsse immer gegen Missbrauch durch die Politik abgeschirmt werden, sagte er. „Diesen Schutz jetzt wieder zu erreichen, wird eine ganz wichtige Aufgabe sein.“