München – „Fünftens“, hebt Markus Söder nach einer halben Stunde an, und die hundert Abgeordneten im Saal schauen nicht gerade elektrisiert. Hinter Punkt fünf seiner Regierungserklärung versteckt sich allerdings eine handfeste Überraschung. Der Ministerpräsident kündigt an, das Land ab Weihnachten wieder in einen harten Lockdown zu tauchen. Zwischen 24. Dezember und 10. Januar werde man die nicht lebensnotwendigen Geschäfte wohl schließen.
Hektische Zwischenrufe im Saal, es kommt Leben in die Runde. Söder nutzt seinen eigentlich rituellen Auftritt im Landtag, um einen weiteren Schritt seiner Corona-Pläne zu verkünden, zumindest die Opposition erwischt das kalt. Es ist ja auch schwer, den Überblick zu behalten: Eigentlich sind die Abgeordneten hier, um die nächste Runde der Verschärfungen zu billigen, also die Ausgangssperre, Schul-Wechselunterricht und die strengeren Regeln für Heimbesuche, da werden sie schon mit der übernächsten Runde konfrontiert.
Für Söder zählt einzig: Die eigene Koalition zieht noch mit, auch bei seiner siebten Corona-Regierungserklärung binnen neun Monaten. Man sieht Hubert Aiwanger, den Wirtschaftsminister, nicht sehr glücklich in diesen Minuten auf seinem Platz sitzen. Man hört seine Freien Wähler energisch für Öffnungen ab 11. Januar streiten. Dennoch folgt das Bündnis dem voranpreschenden Regierungschef und stimmt seinem Vorgehen offiziell zu.
„Wir müssen Kontakte reduzieren und die Kontakte, die wir reduzieren, sind auch bei den Geschäften“, sagt Söder. Neben einem sich verstärkenden „Schlendrian“ macht Söder auch ein sich „durch das Land fressendes“ Virus verantwortlich, das mit Unwahrheiten die Akzeptanz der Menschen untergrabe. Statt stets nach Schlupflöchern in den Vorgaben zu suchen, fordert er die Bayern auf, mehr Verantwortung füreinander zu übernehmen.
Die Opposition trägt weiterhin Teile von Söders Kurs mit, die Unterstützung sinkt aber von Woche zu Woche; die Kritik an seinem Stil wächst. Man müsse „leider nachschärfen“, sagt Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Aber: „Es fehlt immer noch eine klare Strategie, auch neun Monate nach dem Ausbruch von Corona in Bayern.“ Söders Plan sei nur aus der Not geboren, jeder einzelne Minister habe im Sommer Versäumnisse zu verantworten, sagt Hartmann. Er spricht sich (wie die FDP) unter anderem gegen die nächtliche Ausgangssperre in Hotspots aus. Die SPD greift die Staatsregierung vor allem wegen der Schulpolitik an, der Wechselunterricht sei zu schlecht vorbereitet worden. Die AfD spottet über die „Zeit des Söder-Sozialismus“. Ohnehin sei die Beteiligung des Landtags nur eine Schein-Veranstaltung.
Es ist eine ungewöhnliche Sitzung, phasenweise ruppig. Die Freien Wähler werfen der AfD vor, dass Corona überall da stark wüte, wo die AfD viele Wähler habe. Söder hält einem Abgeordneten vor, er habe wohl gerade zu viel getrunken. Die CSU schimpft, die Opposition, namentlich die FDP, benehme sich wie die „destruktiven Alten aus der Muppet-Show“. Zum Hin und Her passt: Der SPD-Abgeordnete Florian Ritter wird mittendrin aus dem Plenum geholt, weil er wegen einer Infektion in der Schulklasse seines Sohnes sofort in Quarantäne muss. cd