Stillstand zu Silvester

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

München – Die Nachricht war längst in der Welt, als Christian Drosten noch mal zur Eile mahnte. Man müsse jetzt unbedingt handeln, sagte der Virologe gestern im NDR. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Corona-Zahlen über Weihnachten anstiegen. Würden die Maßnahmen jetzt nicht nachgeschärft drohe „Ende Januar und über den gesamten Februar hinaus“ ein Lockdown mit massiven Folgen für die Wirtschaft.

Es war genau der Appell, den die Nationale Akademie der Wissenschaft Leopoldina Stunden zuvor schon in einer Stellungnahme an die Politik gerichtet hatte. Die Experten, zu denen auch Drosten gehört, fordern darin eine drastische Verschärfung der Corona-Regeln: etwa die Aufhebung der Schulpflicht von nächstem Montag bis 10. Januar. Und die Schließung aller Läden ab Heiligabend – ausgenommen Geschäfte des täglichen Bedarfs. Drosten nannte das Leopoldina-Papier eine „deutliche und letzte Warnung der Wissenschaft“.

Die Experten begründen ihre Forderungen mit den unverändert hohen Infektions- und Todeszahlen. Kliniken und Gesundheitsämter seien an der „Grenze des Leistbaren“, heißt es in dem Papier. Die bisherigen Maßnahmen zeigten einfach zu wenig Wirkung. Deshalb brauche es ab dem 14. Dezember eine radikale Kontakt-Minimierung, indem Homeoffice die Regel wird und alle sportlichen und kulturellen Gruppenaktivitäten eingestellt werden. Ab dem 24. Dezember bis mindestens 10. Januar soll demnach ein verschärfter Lockdown gelten – mit Schließung des Einzelhandels und verlängerten Weihnachtsferien bis 10. Januar. Urlaube und größere Zusammenkünfte sollen tabu sein. Auch Weihnachten und Silvester sollte „nur im engsten stabilen Personenkreis“ gefeiert werden. Bei Schulbeginn soll in allen Jahrgangsstufen – auch schon bei Erstklässlern – Maskenpflicht auch im Unterricht gelten. Ab einer bestimmten Inzidenz sollten außerdem Regeln für Wechselunterricht greifen.

Das sind harte Brocken, die in den Ländern gleich auf Resonanz stießen. Bayern etwa folgt den Empfehlungen in Teilen. Die Maskenpflicht gilt ohnehin schon, der Wechselunterricht beginnt heute. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte im Landtag zudem überraschend, den Handels-Lockdown zwischen 24. Dezember und 10. Januar mitzumachen. Er setzt zunächst auf bundesweite Einigungen.

Dazu müssten sich die Ministerpräsidenten bald wieder treffen. Die Kanzlerin hatte bereits am Montag in der Unionsfraktion dafür geworben, bei einem Gipfel vor Weihnachten weitere Verschärfungen zu beschließen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte gestern bei „Bild live“, es sei sinnvoll, zwischen den Jahren „umfassender, dafür kürzer das Leben ein Stück runterzubringen“. Die meisten Länder-Chefs scheinen ebenfalls bereit, den Experten-Forderungen zu folgen. NRW sieht indes keine Notwendigkeit für ein neues Treffen. Die Regierung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sei skeptisch, berichtet „ntv“. Derzeit würden ständig neue Treffen gefordert, heiße es aus der Landesregierung. Das strahle „alles andere als Souveränität und Berechenbarkeit“ aus.

Als erstes Land beschloss gestern Sachsen, bis 10. Januar in den harten Lockdown zu gehen: Schulen, Kindergärten, Horte und der Einzelhandel mit Ausnahme der lebensnotwendigen Versorgung sollen geschlossen werden, wie Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ankündigte. Die Landesregierung wolle Sachsen „zur Ruhe bringen“.

Thüringen, das mit einer Inzidenz von 182,9 nach Sachsen (319,4) die meisten Neuinfektionen hat, nimmt die Lockerungen zu Weihnachten und Silvester wieder zurück: Maximal fünf Menschen aus zwei Haushalten dürfen zusammen feiern. Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt machen das für Silvester. Berlins Stadtchef Michael Müller (SPD) erklärte, er könne sich weitere Einschränkungen im Einzelhandel und in Schulen „sehr gut vorstellen“. Laut „Tagesspiegel“ plant der Senat, die Weihnachtsferien bis 10. Januar zu verlängern.

Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte: „Ein scharfer Lockdown nach den Weihnachtstagen rückt näher.“  mit mmä/dpa

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