Säbelrasseln in Spanien: „Gruselige Putschaufrufe“

von Redaktion

Ex-Offiziere schließen sich zusammen, um linke Regierung zu attackieren – Konservative halten sich mit Kritik zurück

Madrid – Sie sprechen ungeniert davon, in Spanien „die Roten auszulöschen“ und 26 Millionen Menschen standrechtlich zu erschießen – darunter auch Kinder. Terroristen? Verrückte? Nein, es sind Dutzende ehemalige ranghohe Militäroffiziere, denen die linke Regierung in Madrid ein großer Dorn im Auge ist.

Sie propagieren den Sturz des Ministerpräsidenten Pedro Sanchez, der die Einheit des Landes gefährde, und tragen ihr Anliegen sogar in Briefen an König Felipe VI. vor. In Kolumnen und TV-Studios ist von „gruseligen Putschaufrufen“ die Rede, auf den Straßen und in Cafés wird heiß diskutiert. Das Säbelrasseln sorgt für Unruhe.

Es sind nicht in erster Linie Pensionäre mit der Uniform (und allenfalls Kleinwaffen) im Schrank, die Beklemmung auslösen. Sorgen bereiten vielmehr die Reaktionen einflussreicher konservativer Politiker, die die Aussagen der Ex-Generäle & Co. entweder nicht scharf genug verurteilen oder sogar „Verständnis“ dafür äußern. Wie etwa die Regierungschefin der Region Madrid, Isabel Díaz Ayuso. Die Politikerin der Volkspartei PP sagte, sie teile die Sorgen der Unterzeichner der Briefe an den König.

Die Worte der 42-Jährigen, die mit einer erfolgreichen Bekämpfung der Corona-Pandemie an politischem Gewicht gewann und von vielen als neuer Star am Himmel der konservativen Opposition gefeiert wird, ließen aufhorchen. Weniger Verwunderung riefen die Aussagen der Rechtspopulisten von Vox, der drittstärksten Kraft im Nationalparlament hinter der PP, hervor. „Natürlich sind das unsere Leute“, sagte die Vox-Abgeordnete Macarena Olona über die pensionierten Militärs, die sich Putschfantasien hingeben.

Was genau ist passiert? Zwei Gruppen aus 39 und 73 Offizieren a. D. der Luftwaffe und des Heeres hatten sich im November in Briefen beim König über Sánchez beschwert und den Diskurs rechter und ultrarechter Politiker wiederholt: Die Regierung werde – etwa bei der Verabschiedung des Haushalts – von Anhängern von Terroristen und Separatisten unterstützt, hieß es. Gemeint sind Regionalparteien Kataloniens und des Baskenlandes, die teils separatistisch sind, teils von ehemaligen Anhängern der seit Jahren aufgelösten Untergrundorganisation ETA gebildet werden.

Die Regierung bedrohe so die nationale Einheit, hieß es. Am Samstag folgte ein weiterer Brief ähnlichen Inhalts, der diesmal sogar von anderen 271 Ex-Offizieren unterzeichnet wurde. Empörung und Unruhe löste vor allem aber die Veröffentlichung des Chats der Angehörigen einer dieser drei Gruppen in Whatsapp aus. Die Hetzer beleidigen Sánchez und Vize-Premier Pablo Iglesias darin aufs Übelste. Sie loben den Diktator Francisco Franco, dessen Regime (1939 – 1975) mindestens 100 000 Oppositionelle „verschwinden“ ließ. Und sie sprechen sich für die Abschaffung der Demokratie aus. Der frühere Divisionsgeneral Francisco Beca ruft zur Erschießung von „26 Millionen Hurensöhnen“ auf. Zu lesen ist unter anderem: „Bereitet euch auf den Kampf vor! Holen wir uns die Roten!!!“ Beleidigt werden auch Homosexuelle und Feministinnen sowie katalanische und baskische Separatisten.

Ein pensionierter Oberstleutnant, der die Gruppe „wegen des vielen Hasses“ verließ, sagte im Fernsehen unumwunden zum Ziel seine Kollegen: „Sie wollten erreichen, dass der König politisch aktiv wird und die Regierung stürzt“. Erinnerungen an den Putschversuch vom 23. Februar 1981 mit Schüssen im Parlament werden wach.

Einige Beobachter spielen die Bedrohung herunter. Andere warnen. „Die Aufrufe darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen“, schrieb der Kolumnist Óscar J.Barroso in „La Voz de Galicia“. Diese seien „besorgniserregend“. In die gleiche Kerbe schlägt Alexis Mari im Blatt „Levante“: „Das ist keine kleine Gruppe verrückter Alter. Es sind ehemalige Generäle mit viel Einfluss. Also alles andere als ein Witz.“ Sorgen macht sich auch der Geschichtswissenschaftler und auch im Ausland angesehene Kurator Nacho Ruiz. In der „HuffPost España“ spricht er von einem „gruseligen Putschaufruf“. „Die Vergangenheit versucht zurückzukehren. Erlauben wir das nicht.“ EMILIO RAPPOLD

Artikel 9 von 11