„Wir sind zum Sparen gezwungen“

von Redaktion

BR-Intendant Wilhelm über den Beitrags-Streit, die Klage und die Frage nach dem Linksdrall

Vorerst ist die Erhöhung des Rundfunkbeitrags gestoppt – weil andernfalls die Landesregierung in Sachsen-Anhalt implodieren würde. Was nun? BR-Intendant Ulrich Wilhelm (59) spricht im Interview über die angekündigte Verfassungsklage. Er verteidigt den höheren Beitrag vehement.

Sie sprechen von einer „Gefährdung der Rundfunkfreiheit“, weil Sachsen-Anhalt nicht mitzieht. Ist das nicht Jammern auf sehr hohem Niveau?

Zwei Dinge sind sauber zu trennen. Wie groß oder klein das Angebot zum Beispiel des Bayerischen Rundfunks sein soll, entscheidet das Parlament. Der Landtag hat im Rundfunkgesetz den Umfang des Angebots festgelegt. Eine unabhängige Kommission, die KEF, ermittelt anhand des gesetzlichen Auftrags der Rundfunkanstalten dann den nötigen Finanzbedarf, auf dessen Basis die Länder in einem Staatsvertrag den Rundfunkbeitrag festlegen. Das steht jetzt an. Was aber dabei verfassungsrechtlich nicht geht: Die Entscheidung über den Rundfunkbeitrag zu koppeln an medienpolitische Bedingungen oder Eingriffe in den Programminhalt. Das wäre ein Missbrauch.

Die Sender klagen nun. Das kann also dauern …

Wir werden noch in diesem Jahr einen Eilantrag in Karlsruhe stellen. Es braucht schnell Klarheit, ob das Verhalten von Sachsen-Anhalt ein Verfassungsbruch ist.

Sie sagen ja gern, es gehe „nur“ um 86 Cent. Wenn es so wenig ist, können es die Sender auch einsparen.

Wie alle Anbieter unterliegen wir der Teuerung – und das bei gleichbleibendem Auftrag und sogar neu hinzukommenden Herausforderungen durch die Digitalisierung. Auch die Anhebung um 86 Cent bleibt unter der Inflationsrate, und auch das zwingt uns zum weiteren Sparen. Wir bauen jedes Jahr dutzende Stellen ab, wir halbieren zum Beispiel in der Zeit von 2015 bis 2025 die Zahl der Stellen in der Fernsehproduktion auf 450. Wir schränken uns beim Programm ein. Die tariflichen Bedingungen für jüngere Mitarbeiter, vor allem die Altersversorgung, mussten wir mehrfach massiv verschlechtern. Es ist nicht so, wie immer wieder vorgetragen wird, dass mit dieser Beitragserhöhung der Rundfunk sorgenfrei wäre. Klar ist, dass wir mit den aktuell 17,50 Euro nicht klarkommen können, ohne massiv im Programm zu kürzen.

Wie rechtfertigen Sie da, dass Deutschland sich jetzt schon den teuersten öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Welt leistet?

Das stimmt nicht. Wir sind, gemessen an der Bevölkerungszahl, im vorderen Drittel Europas. Die Mehrheit der Menschen hat seit Jahrzehnten einen hohen Anspruch an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und die Politik hat uns den Auftrag erteilt. Beispiel BR: Im Lauf der Jahre ist unter anderem BR-Klassik dazugekommen, dann B5 aktuell, bundesweit 3sat, Arte, Phoenix und Kika. Heute haben wir, bezogen auf alle Medien, qualitativ eines der besten Mediensysteme der Welt.

Gleichzeitig wird der Vorwurf immer lauter, der öffentlich-rechtliche Rundfunk berichte im Zweifel eher links. Verstehen Sie das?

Die Frage, ob wir das ganze Bild zeigen, beschäftigt uns seit Jahren intensiv. In unserer Branche ist das ein Daueranliegen. Der Journalismus in ganz Deutschland hat eine zu enge Basis: Zu viele Journalisten aus Großstädten, fast nur aus akademischen Familien. Ausgewogenheit und politische Neutralität sind unser oberstes Gebot in der Berichterstattung, Perspektiven und Schwerpunkt-Setzungen können aber auch von der persönlichen Sozialisation geprägt sein. Auch deswegen setzte ich im BR so stark auf die Regionalisierung, und auf Korrespondenten, die vor Ort verwurzelt sind und die Themen in unser Programm bringen.

Interview: geo/cd/rog

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