München – Im weltweiten Wettlauf um einen Impfstoff wird auch mit schmutzigen Methoden gearbeitet: Mit einer Cyberattacke auf die europäische Arzneimittel-Behörde EMA haben unbekannte Hacker Dokumente über den Corona-Impfstoff der Mainzer Firma Biontech und des US-Pharmariesen Pfizer erbeutet. Experten vermuten hinter der illegalen Aktion staatliche Auftraggeber.
Russland und China sind bekannt dafür, mit hoch spezialisierten Hacker-Truppen geistiges Eigentum aus dem Westen zu erbeuten. So warfen britische Behörden bereits im Sommer Hackern vor, im Auftrag Moskaus weltweit Cyber-Spionage bei Impfstoff-Forschern zu betreiben. Allerdings gab es gestern keine handfesten Beweise, dass die Angreifer aus Russland oder China kamen.
In die Computersysteme von Pfizer und Biontech drangen die Täter nicht ein: Sie sind nach Einschätzung von Experten extrem gut gesichert. Als Schwachstelle erwies sich vielmehr das IT-System der Europäischen Arzneimittel-Behörde EMA mit Sitz in Amsterdam.
Welches Ausmaß der Angriff hatte, war noch unklar. Die Behörde sprach in ihrer dürren Mitteilung von „einigen Dokumenten“, die im Zusammenhang mit dem Zulassungsantrag für den Impfstoff bei dem Angriff gestohlen worden seien. Pfizer und Biontech betonten, dass nach ihrem Wissen keine Daten über Testpersonen zugänglich geworden seien.
Die Entscheidung über die Zulassung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs in der EU soll am 29. Dezember fallen. EMA-Direktorin Emer Cooke zeigte sich gestern zuversichtlich: „Wir sind immer überzeugter von den Testergebnissen, die uns vorliegen.“ Doch in Großbritannien, wo bereits seit Dienstag gegen Corona geimpft wird, ist ein erstes Problem aufgetreten: Die britischen Behörden rufen Menschen mit einer „signifikanten“ Allergiegeschichte auf, sich vorerst nicht impfen zu lassen.
Zwei Mitarbeiter des nationalen Gesundheitsdiensts NHS mit einer entsprechenden Vorgeschichte hätten nach der Impfung eine allergische Reaktion gezeigt, sagte NHS-Chef Stephen Powis vor einem Parlamentsausschuss in London. „Beide erholen sich gut.“
Powis betonte, bei der Warnung handele es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, wie es bei neuen Impfstoffen üblich sei. Nach seinen Angaben sind die beiden Betroffenen so anfällig für Allergien, dass sie stets ein Notfallset mit Adrenalin bei sich tragen.
Die Arzneimittelaufsicht MHRA konkretisierte inzwischen ihre Warnung für Personen mit einer erheblichen allergischen Vorgeschichte noch einmal: „Personen mit einer Vorgeschichte eines anaphylaktischen Schocks bei Impfungen, Arznei- oder Lebensmitteln sollten den Pfizer/Biontech-Impfstoff nicht erhalten. Die zweite Dosis sollte niemandem verabreicht werden, bei dem nach Verabreichung der ersten Dosis dieses Impfstoffs eine Anaphylaxie aufgetreten ist“, sagte June Raine, Geschäftsführerin der MHRA.