Berlin – Manchmal deuten in der Politik Detailentscheidungen Veränderungen an, die weit über den Tag hinaus wirken. Die Entscheidung der SPD-Bundestagsfraktion, der Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen nicht zuzustimmen, könnte sich einmal als solche erweisen. Immerhin hält sie deren verteidigungspolitischer Sprecher Fritz Felgentreu für so bedeutend, dass er sein Amt niederlegt – er hatte für die Ausrüstung der deutschen Soldaten mit den unbemannten Waffen bei ihren Auslandseinsätzen plädiert. Am Ende setzte sich jedoch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mit seiner Ansicht durch: Es stehe zwar außer Zweifel, „dass bewaffnete und unbewaffnete Drohnen den im Einsatz befindlichen Soldaten einen weiteren Schutz geben können“, so Mützenich vor den Abgeordneten. „Aus der Praxis wisse man aber auch, dass bewaffnete Drohnen schnell die Hemmschwelle militärischer Gewalt senken könnten“ begründet der Fraktionschef die Haltung seiner Partei.
Beim Koalitionspartner stieß die Entscheidung auf scharfe Kritik. Verteidigungsministerin Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) schimpfte: „Damit setzen wir fahrlässig das Leben der Soldatinnen und Soldaten aufs Spiel und ich möchte das ändern.“ Dagegen lobte die Linkspartei die Entscheidung: Damit werde eine Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen unmöglich, hieß es.
Die Entscheidung der SPD zeigt deutlich die Handschrift des SPD-Fraktionsvorsitzenden. Friedenspolitik ist Rolf Mützenich besonders wichtig, hier hat er schon häufiger Akzente gesetzt – linke Akzente. Ähnlich klar hatte sich Mützenich beispielsweise im Mai in der Debatte über US-Atomwaffen in Deutschland positioniert. Vor allem mit Blick auf Überlegungen in den USA, sich stärker auf kleinere Atomwaffen zu konzentrieren, deren Einsatz in Konflikten dann aber auch realistischer sein solle, stellte der SPD-Fraktionschef damals die sogenannte nukleare Teilhabe Deutschlands in Frage. Diese sieht unter anderem vor, dass im Konfliktfall US-Atomwaffen auch von Bundeswehr-Kampfjets ins Ziel gebracht werden.
An die Fraktionsspitze gewählt worden war der Parteilinke Mützenich im Sommer 2019 nach dem abrupten Rücktritt von Andrea Nahles. Schon damals dürfte dabei auch die Sehnsucht vieler Sozialdemokraten nach linkeren Positionen eine Rolle gespielt haben, die dann Ende des Jahres in der Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu Parteichefs ebenfalls zum Ausdruck kam. Beide stehen in der Drohnenfrage fest auf Mützenichs Seite, während Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) bei dem heiklen Thema eher auf Tauchstation ist.
Auch in anderen Fragen wie zum Beispiel bei der Entscheidung gegen eine Abwrackprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren zogen Mützenich, Esken und Walter-Borjans an einem Strang. Insgesamt zeigte sich der Fraktionschef allerdings bei Koalitionsdebatten etwa zur Klima- und Flüchtlingspolitik kompromissbereiter und biegsamer als beim Thema Frieden. Das Bündnis mit der Union trägt er mit, stellte im Sommer aber auch klar, nach der nächsten Wahl sollten die Partner „getrennte Wege gehen“.
Auch in Personalfragen stellte Mützenich die Weichen neu: Sein Votum für Eva Högl als neue Wehrbeauftragte führte zum krachenden Abtritt des langjährigen Haushaltssprechers Johannes Kahrs, dem Vorsitzenden des einflussreichen konservativen Seeheimer Kreises in der SPD. Zuletzt setzte er sich bei der Nominierung von Dagmar Ziegler zur neuen Bundestagsvizepräsidentin gegen harte Widerstände in der eignen Fraktion durch. aw/afp