Merkel „mächtig stolz“ auf Biontech

von Redaktion

VON MIKE SCHIER

München – Am Ende des offiziellen Teils kann die Physikerin Angela Merkel ihre naturwissenschaftliche Forscherbegeisterung nicht mehr verbergen. Wie das denn gewesen sei, will die Kanzlerin von den beiden Biontech-Gründern Ugur Sahin und Özlem Türeci wissen. Ab welchem Moment ihnen klar gewesen sei, dass sie ab sofort alle Ressourcen ihres kleinen Unternehmens auf die Herstellung eines Corona-Impfstoffs konzentrieren müssten. Jenem Impfstoff, der die beiden ins weltweite Rampenlicht spült, der sie schon jetzt reich gemacht hat – und der sie an diesem Donnerstagmorgen mit einer neugierigen Bundeskanzlerin konfrontiert.

Kurz vor der Zulassung dieses Wundermittels auch in Deutschland hat sich die Kanzlerin mit ihren Ministern Jens Spahn und Anja Karliczek in Mainz zum Firmenbesuch angekündigt. Es ist Tag zwei des harten Lockdowns, weshalb ein großer Medienauftrieb in diesem hoch sensiblen Gebäude natürlich unmöglich ist. Der Besuch findet deshalb nur digital statt. Die Regierungsvertreter sitzen in Berlin vor Kameras, hinter ihnen repräsentative Stellwände. Und Professor Ugur Sahin sitzt in einem Arbeitszimmer. Im Hintergrund sieht man wenig attraktive Rücken von Computer-Monitoren, Aktenschränke und eine Mikrowelle.

Ebenso wie Özlem Türeci berichtet er von einem unglaublichen, aber auch unglaublich anstrengenden Jahr – ohne Urlaub und Wochenenden. Seit Jahrzehnten forschen sie an der sogenannten MRNA-Technologie. Eigentlich gedacht, um das Immunsystem im Kampf gegen Krebs zu stärken. Und jetzt die Grundlage für den ersten Corona-Impfstoff, der im Westen zum Einsatz kommt. In Großbritannien hatten ihn bis gestern Morgen bereits 140 000 Menschen erhalten.

Der entscheidende Tag sei der 24. Januar gewesen, antwortet Özlem Türeci auf Merkels Frage. Es ist die Phase, wo erste Meldungen aus China aufhorchen lassen. Unsere Zeitung titelt beispielsweise im Weltspiegel: „Mehr als 20 Millionen Chinesen abgeschottet“. Türeci und Sahin sitzen an diesem Tag beim Frühstück, lesen zwar keine Zeitung, dafür aber medizinische Berichte mit Fällen aus Wuhan. „Daraus haben wir geschlossen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Pandemie anstehen könnte.“ Es war der Startschuss ihrer Mission. „Das Etappenziel ist jetzt bald erreicht“, sagt Türeci über die ersten Impfungen in Deutschland. „Aber der Marathon ist noch nicht ganz vorüber.“ Immerhin macht Ugur Sahin Hoffnung: „Wir sind zuversichtlich, im nächsten Winter wieder ein normales Leben zu führen.“

Die Kanzlerin ist ehrlich beeindruckt – und auch „mächtig stolz“, solche Forscher in Deutschland zu haben. Sie erinnert daran, wie viel Durchhaltevermögen es brauche, immer weiter zu forschen, selbst wenn sonst keiner an den Erfolg glaube. „Sie haben die Flinte nicht ins Korn geworfen“, sagt Merkel anerkennend. Anja Karliczek erinnert daran, wie man das junge Unternehmen staatlich gefördert habe: 2008 als Start-up, später für seine Krebsforschung, schließlich beim Corona-Impfstoff. „Sie sind jetzt das beste Beispiel, dass es sich lohnt, mit der langfristigen Förderung fortzufahren“, sagt die Forschungsministerin.

Rund 44 000 Personen waren an den Testungen beteiligt, wobei die Hälfte ein Placebo bekam. Jetzt ist man auf der Ziellinie, wie Gesundheitsminister Spahn berichtet. Am 21. Dezember soll die Europäische Arzneimittelbehörde EMA grünes Licht geben, am 23. die EU-Kommission. Anschließend prüfe das Paul-Ehrlich-Institut die Chargen. Dann kann es losgehen.

Für Biontech ist die Arbeit dann zwar noch lange nicht erledigt. Aber Özlem Türeci freut sich dennoch schon darauf, sich wieder ihrer eigentlichen Mission zu widmen: dem Kampf gegen Krebs.

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