München – Die fieseste Frage kommt zum Schluss. „Was haben Sie, was Markus Söder nicht hat“, will Moderatorin Miriam Holstein wissen – dann herrscht erst mal Stille. Armin Laschet klammert sich an das Buch in seinen Händen, sein Blick klebt am Bühnenboden fest. „Hmm“, sagt er dann, „schwer zu sagen. Was hab’ ich…“ Dass ihm ein plakatgroßer Söder kritisch über die Schulter lugt, macht die Sache nicht leichter.
Es ist ein reizvoller Termin, den der Regierungschef von Nordrhein-Westfalen am Freitag in Berlin absolviert. Er soll über die kürzlich erschienene Söder-Biografie sprechen. Sie trägt den Titel „Der Schattenkanzler“ und verrät damit schon viel über die Spannung zwischen beiden Männern. Was man weiß: Laschet will Kanzler werden. Was man ahnt: Söder würde schon auch wollen, sagt es aber nicht. Er lässt stattdessen lieber die Umfragen sprechen, die ihn weit vorne sehen.
Der Auftritt hat sich so ähnlich schon mal abgespielt, nur in anderer Konstellation. Im September stellte der Bayer die Laschet-Biografie „Der Machtmenschliche“ vor und machte seinem Kollegen ein paar zweifelhafte Komplimente. Laschet sei ein „humorvoller, ernsthafter, heimatbewusster und sehr lebensfreudiger Mensch“, sagte Söder und bemerkte noch jovial, dass der Kollege schon mal eine Wahl gewonnen habe. Die Attribute klangen nach vielem, aber nicht nach Kanzler.
Laschets Auftritt ist also eine Art Revanche. Das schärfste Schwert führen aber Söders Biografen, die SZ-Autoren Roman Deininger und Uwe Ritzer. Der CSU-Politiker sei „schamlos und clever“, sagt Deininger zu Beginn. Clever stimme, meint Laschet – und begibt sich dann auf die holprige Suche nach Gemeinsamkeiten mit dem Bayern. Jurastudium, Journalisten-Ausbildung, Stipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Lebenswege seien ja durchaus ähnlich, sagt Laschet. Noch so eine Sache: die Nähe zur Mutter. Dass es bei Markus Söder genauso war, habe ihn beim Lesen des Buches „sehr berührt“.
Laschet sucht bewusst die Harmonie, was er sagt, ist der Versuch einer Entwaffnung. Nicht mal, als es um die delikate K-Frage geht, wehrt er ab. Einen CSU-Chef als Kanzlerkandidaten auszuschließen, gehöre „nicht zur Fairness, die wir brauchen“, meint er. Die Schwesterparteien müssten das am Ende „zusammen erörtern“.
Die Frage ist, welchen Maßstab man an solche Sätze legt. Den Söderschen? Der Nürnberger kann wunderbar erklären, warum ein Bayer nach den Gesetzen von Raum und Zeit niemals nach Berlin gehöre – würde aber nicht Nein sagen, wenn die Union ihn fragte. Laschet seinerseits kann die Schwesterpartei ganz herrlich umgarnen, weiß aber: Wäre er CDU-Chef, dann wäre auch die K-Frage ratzfatz vom Tisch.
Es lohnt deshalb, Laschet genau zuzuhören: Hinter der harmoniesuchenden Fassade entwirft er geschickt ein Gegenbild zu Söder. Anders als der Bayer habe er nie Ministerpräsident werden wollen, sagt Laschet; viel mehr habe ihn immer die Bundespolitik gelockt. Während Söder zuletzt den Grünen-Chef Robert Habeck in einem „Spiegel“-Interview bezirzte, wahrt Laschet Distanz: Die Union dürfe nicht „halbgrün oder lindgrün“ werden. Dass Söder derzeit in Umfragen besser ankomme, sei dessen Art geschuldet, kraftvoll, ungeduldig. „Ich bleibe trotzdem bei meinem Weg. Abwägung ist mir wichtiger.“
Was hat er, was Söder nicht hat? Laschet windet sich um eine direkte Antwort – aber in gewisser Weise klärt er die Frage doch, zwischen den Zeilen: Wenn es stimmt, dass das Land 2021 eine neue Angela Merkel sucht, dann gibt es nur einen – ihn.