Spahn: Impfstoff ist für alle knapp

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Für seinen Impftermin hat Markus Söder schon große Pläne. Möglichst alle im Land sollen den Pieks mitbekommen, also braucht es Journalisten, Fotografen und Fernsehkameras. Schaut her, es ist nicht gefährlich – das ist die Botschaft, die der Ministerpräsident unter die Leute bringen will. Weil er ahnt, welch wilde Verschwörungstheorien sich sogleich darum ranken werden, soll es einen weiteren Teilnehmer geben: einen Notar, der die Echtheit des Impfstoffs bestätigt.

Eine Impfung unter notarieller Aufsicht – das sagt viel aus über das Ausmaß an Emotionen, das rund um das Thema Corona längst in der Welt ist. Wann und womit Söder und die anderen 82 Millionen Deutschen geimpft werden, ist dabei noch offen. Voraussichtlich am 27. Dezember soll die Verabreichung des ersten Präparats starten. Die erste Zulassung bekommen voraussichtlich heute die Konzerne Biontech und Pfizer. Später folgen wohl die Stoffe der anderen Firmen, darunter Moderna.

Details der Abläufe dürfte Söder heute bei einem Auftritt im geplanten Münchner Impfzentrum an der Messe nennen, vermutlich auch den bayerischen Impfstart direkt nach Weihnachten. Er begleitet das aber mit Kritik an der Bundesregierun, dem Ruf nach „mehr Tempo“. Es müsse alles darauf ausgerichtet werden, mehr Impfstoff zu bekommen, der dann schneller verteilt werde, sagte Söder der „Bild“. Das müsse „absolute politische Priorität sein“.

Die Bundesregierung kontert hingegen, man habe sich mittlerweile ausreichend Impfdosen gesichert, um die sogenannte Herdenimmunität der Bevölkerung zu erreichen. Insgesamt erhalte Deutschland vom Mainzer Hersteller Biontech 85,8 Millionen Impfdosen und vom US-Pharmakonzern Moderna 50,5 Millionen Impfdosen, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Damit könnten bei zwei Impfungen pro Person mehr als 68 Millionen Menschen geimpft werden. Rechnerisch wären für eine „Herdenimmunität“ 60 bis 70 Prozent einer Bevölkerung nötig, bundesweit gerechnet also 58 Millionen Menschen. Für die ganze Bundesrepublik könnten die Dosen reichen, weil vom (weniger wirksamen) Impfstoff der Firma Astra-Zeneca 56,2 Millionen Portionen versprochen sind, von einem möglichen Impfstoff der Firma Johnson & Johnson weitere 37,25 Millionen.

Risikofaktoren gibt es in der Rechnung dennoch. Die Zeitschiene ist unklar – Biontech und Moderna beziehen sich auf das ganze Jahr 2021, was für Millionen Menschen einen halbwegs normalen Alltag erst nach dem Sommer bedeuten würde. Im Januar kommen erst gut drei Millionen Dosen an, bis Ende März sollen es insgesamt 11 bis 13 Millionen Dosen sein. Zugleich ist offen, wie lange die Wirkung anhält, ob also bald Risikogruppen einen dritte und vierte Dosis brauchen. Minister Jens Spahn (CDU) sagte am Sonntagabend lediglich, der Impfstoff sei „für alle knapp“, also für jedes Land. „Es wird am Anfang ruckeln.“

Gleichzeitig ist unklar, wie viele Menschen sich überhaupt impfen lassen wollen – Umfragen schwanken auch an diesem Wochenende zwischen 48 und 62 Prozent.

Immerhin soll es nun schneller gehen als bisher. Die Impfstoffe dürfen nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts in Kürze an die bundesweit 400 regionalen Zentren (davon derzeit 102 in Bayern) verteilt werden. „Verwendet werden dürfen die Impfstoffe aber erst dann, wenn die Chargenfreigabe vorliegt.“ Aktuell lagern die Stoffe in Belgien. Die Grundstoffe werden zwar in den Biontech-Werken in Mainz und Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz hergestellt, aber bei Pfizer im belgischen Puurs abgefüllt und etikettiert. Spahn sagt, über eine weitere Biontech-Produktionsstätte in Deutschland werde verhandelt.

Die Polizei soll die Transporte sichern. „Die Bundespolizei wird bei der Sicherung der Transporte massiv unterstützen“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). „Wir alle haben das Ziel, dass der Impfstoff ohne Verzögerungen oder Zwischenfälle bei den Impfzentren ankommt.“  (mit afp)

Der Stoff lagert derzeit in Belgien

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