Trump träumt von einem Coup

von Redaktion

VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Noch genau vier Wochen bleiben bis zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Und doch denkt Donald Trump nicht daran, aufzugeben und seinem Nachfolger zu gratulieren. Im Gegenteil: Am Wochenende wurden in den USA Details eines Treffens im Weißen Haus bekannt, das am Freitag nur einem Ziel gedient haben soll: der Debatte, wie sich das Wahlergebnis notfalls auch mit Methoden revidieren lässt, die eindeutig außergesetzlich wären.

Ausgerechnet Trumps früherer Sicherheitsberater Michael Flynn, wegen Falschaussagen gegenüber dem FBI rechtskräftig verurteilt und vom Präsidenten erst kürzlich begnadigt, brachte laut „New York Times“ folgenden Vorschlag mit ins „Oval Office“: Trump solle den Ausnahmezustand über das ganze Land verhängen und das Militär – dessen Oberkommandierender Trump bis zum 20. Januar 2021 ist – dafür einsetzen, dass eine ganz neue Wahl abgehalten wird.

Dass dies einem Coup gleichkäme, den man sonst nur von Bananenrepubliken kennt, schien Flynn nicht zu stören. Dem Bericht zufolge zeigte sich Trump interessiert, denn er habe ausdrücklich nach dieser Option gefragt. Allerdings lässt diese Überlegung einen Punkt ganz außen vor: dass sich Pentagon und Generalstab vermutlich Trump widersetzen und die Anordnung ignorieren würden. Denn inzwischen hat das Wahlleute-Gremium in den Bundesstaaten die Ergebnisse offiziell zertifiziert. Nahezu 100 Richter haben zudem diverse Klagen der Republikaner abgewiesen. Und auch der Versuch des Weißen Hauses, das Thema vor den obersten Gerichtshof zu bringen, hatte keinen Erfolg.

Eine andere Überlegung in Trumps Umfeld lautet, der Präsident könnte seine Anwältin Sidney Powell – die in den letzten Wochen mit den kuriosesten Verschwörungs-Theorien Schlagzeilen produzierte – als „Sonderermittler“ einsetzen. So wie einst Robert Mueller im Auftrag der Demokraten gegen den Präsidenten wegen einer vermuteten, aber dann nie bewiesenen Kollaboration des Trump-Teams mit Russland bei den Wahlen 2016 ermittelt hatte, so würde Powell sich den Vorwürfen von Wahlbetrug widmen. Es besteht kein Zweifel, dass dies keine ideologisch unabhängige Untersuchung sein würde. Powell müsste extrem schnell arbeiten und ihren Bericht bis 6. Januar fertigstellen.

An diesem Tag wird der US-Kongress das Wahlergebnis offiziell verabschieden – es ist zeitlich gesehen die allerletzte, wenn auch völlig unrealistische Chance Trumps, hier für eine Sensation zu sorgen. Denn selbst wenn von Republikanern Bedenken gegen den Ausgang der Wahl vorgetragen werden, so müssten doch beide Kammern mehrheitlich das Resultat aussetzen. Und das ist schlichtweg nicht denkbar. Nachzählungen in Bundesstaaten wie Georgia haben zudem keine wesentlichen Verschiebungen zugunsten Trumps ergeben, was die Präsidentenposition weiter erschwert.

Doch ans Aufgeben denken die letzten Trump-Getreuen nicht. Allen voran Rudolph Giuliani, der frühere Bürgermeister von New York und zuletzt leitender Anwalt des Präsidenten. Giuliani soll laut „New York Times“ beim Treffen vorgeschlagen haben, dass das Heimatschutz-Ministerium Wahlmaschinen beschlagnahmt und untersuchen lässt. Denn der Präsident glaubt, dass die Apparate so programmiert wurden, dass sie tausende von Trump-Stimmen klammheimlich in Biden-Stimmen umwandelten. Auch hierfür gibt es bisher keine gerichtsfesten Indizien. Deshalb soll sich auch die „Homeland Security“-Führung geweigert haben, die von Giuliani geforderte Aktion umzusetzen.

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