Lesbos – Moria ist abgebrannt – doch die Hoffnung so mancher auf ein Ende des Elends der Migranten und Flüchtlinge auf Lesbos hat sich damit nicht erfüllt. Im neuen, provisorischen Lager auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Kara Tepe (Griechisch: Mavrovouni) hausen rund 7500 Menschen, darunter viele Kinder, Schwangere und Kranke. Sie teilen sich 400 Dixie-Klos, die bei Stürmen auch mal umfallen, sowie 200 Duschen, nur ein paar wenige mit warmem Wasser.
Hilfsorganisationen warnen immer wieder: Kara Tepe sei noch schlimmer als Moria, das vor gut 100 Tagen bei einem Großbrand zerstört wurde und als Symbol für das Scheitern der europäischen Asylpolitik galt. Doch die Appelle bleiben ungehört.
„Nach Kenntnis der Bundesregierung ist das Zeltlager Mavrovouni aktuell mit winterfesten Zelten ausgestattet“, heißt es jüngst in einer Auskunft des Bundesinnenministeriums an die Grünen-Fraktion. Wie winterfest, beschreibt eine deutsche Ärztin: Regnete es, entstehe eine Schlammwüste samt Flüssen und Seen. Das Lager liegt direkt am Meer und sei damit Sturmböen ausgesetzt, die Planen mit sich rissen und Zelte zerstörten. Helfer kämpften darum, die Zelte wenigstens mit Holzpaletten zu unterbauen, damit sie nicht von Matsch überschwemmt würden.
Ihren Namen möchte die Ärztin lieber nicht nennen. Ein neues Gesetz der griechischen Regierung verbietet es Helfern in Flüchtlingslagern, mit Medien über Missstände zu sprechen, wie die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisiert. Fotografen haben keinen Zutritt mit der Begründung, sie könnten Corona in das Lager einschleppen. „Aber Corona ist hier noch die geringste Sorge“, sagt die Ärztin.
Es sind vielmehr die unzureichende Versorgung und die Aussichtslosigkeit. Mangels Waschmöglichkeiten seien Krätze und Läuse allgegenwärtig, behandelt würden häufig offene Wunden, Abszesse, Durchfall- und Atemwegserkrankungen sowie Gelenkschmerzen, die sich wegen der Feuchtigkeit und schlechter Schlafstätten einstellen.
Die griechische Regierung wehrt sich gegen Vorwürfe: So seien etwa Berichte über Rattenbisse bei Babys erfunden, die Medien verzerrten die Realität, gerade erst habe Migrationsminister Notis Mitarakis das Camp mit Lokaljournalisten besucht. Es gebe Probleme, doch die würden angegangen.
Aber es gibt auch andere Probleme, etwa Gewaltausbrüche – vergangene Woche soll im Lager ein dreijähriges Mädchen vergewaltigt worden sein, wie SOS-Kinderdörfer mitteilten. Es herrscht Angst. „Nachts ist es hier stockdunkel, die Frauen trauen sich nicht aus den Zelten, um auf Toilette zu gehen“, sagt die Ärztin. Denn Strom, erklärt sie, gebe es nur per Generator und dann nur ein, zwei Stunden am Tag.
Und all das, obwohl Griechenland in den vergangenen fünf Jahren laut der EU-Kommission mehr als 2,8 Milliarden Euro aus EU-Töpfen für das Migrations-Management bekommen hat. Fragt man die Brüsseler Behörde, was mit dem vielen Geld aus Brüssel geschehen ist, heißt es, die Bedingungen blieben „sehr schwierig“. Anfang Dezember hat die Behörde eine Absichtserklärung mit Griechenland unterschrieben, dass bis September 2021 ein neues, dauerhaftes Lager auf Lesbos entstehen soll.