„Wir kontrollieren mit Augenmaß“

von Redaktion

Die Begleitung von Demonstrationen ist Polizei-Alltag. Dennoch waren die Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen in diesem Jahr in mancherlei Hinsicht eine neue Erfahrung für die Beamten. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Bayern fordert jetzt ein vorübergehendes Demonstrationsverbot. Ihr Vorsitzender Peter Pytlik erklärt im Interview, wie er die Forderung begründet. Auch über die Herausforderungen der anstehenden Silvesternacht – in der in Bayern wie an Weihnachten die Ausgangssperre gilt – haben wir mit ihm gesprochen.

Herr Pytlik, die Gewerkschaft der Polizei fordert ein Versammlungs- und Demonstrationsverbot für die Zeit des harten Lockdowns. Warum?

Das Versammlungs- und Demonstrationsrecht ist ein wichtiges Grundrecht. Aber in der Abwägung ist derzeit das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus unserer Sicht das höhere Gut. Dass wir alle privat kaum noch Menschen treffen dürfen und gleichzeitig bei Versammlungen ein Teil der Demonstranten ohne Maske und Abstand unterwegs ist, das kann man doch niemandem mehr vermitteln.

Geht es Ihnen bei der körperlichen Unversehrtheit um die Beamten, die Sie vertreten?

In erster Linie bin ich ihr Vertreter, aber es geht nicht nur um sie, aber auch um die friedlichen und vernünftigen Demonstranten, die durch die anderen Teilnehmer gefährdet werden.

Es gelten bei Demonstrationen seit Monaten Auflagen zu Teilnehmerzahl, Maske und Abstand. Müsste man die nicht durchsetzen, statt Demos generell zu verbieten?

Das ist eine schwierige AbwäDas ist bisweilen so, aber dennoch appelliert man an die Vernunft der Bevölkerung.

Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen sich Beamte im Einsatz mit Sars-CoV2 infiziert haben?

Die Fälle gibt es. das zeigen die Klagen, die jetzt aufkommen. Für die klagenden Polizisten ist es klar, dass die Infektion im Einsatz geschehen ist. Für sie geht es darum, dass sie als Dienstunfall anerkannt wird. Der zweifelsfreie Nachweis wird aber schwer zu führen sein.

Eine weitere Aufgabe, die in diesen Tagen auf die Polizei zukommt, ist ein außergewöhnlicher Silvesterabend? Was kommt da auf ihre Kollegen zu, die Dienst haben werden?

Die Silvesternacht ist immer ein fester Termin im Einsatzkalender und wird es auch heuer trotz Ausgangssperre bleiben. Ich habe keine konkreten Erwartungen, aber wir sind als Polizei auf alles vorbereitet. Es wird einen verstärkten Personaleinsatz geben, auch wenn viele Einsätze im Zusammenhang mit Feiern oder Unfällen heuer wegfallen.

Es wird im Wesentlichen um die Einhaltung der Ausgangssperre gehen?

Ja. Die werden wir kontrollieren, aber mit Augenmaß vorgehen. Wir werden nicht von Wohnung zu Wohnung ziehen und klingeln. Und wer uns nach 21 Uhr glaubhaft versichert, aus triftigem Grund unterwegs zu sein, wird keinen peniblen Nachweis führen müssen. Dann werden wir das akzeptieren.

Aber wenn Menschen mit Sektflasche auf der Straße stehen, schreiten Sie ein?

Es braucht keiner zu erzählen, dass er mit dem Bier in der Hand auf dem Weg zur kranken Oma ist.

Rechnen sie mit größeren Verstößen gegen die Ausgangssperre, mit spontanen oder verabredeten Aufläufen, die wie im Sommer in Stuttgart oder Frankfurt eskalieren könnten?

Wir rechnen nicht ausdrücklich damit. Aber wir sind nicht blauäugig und deshalb vorbereitet.

Interview: Stefan Reich

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