EU-Staaten winken Brexit-Deal durch

von Redaktion

VON ULRICH STEINKOHL UND BENEDIKT VON IMHOFF

Berlin/London – Deutschland und die übrigen EU-Staaten haben sich am Montag hinter den Brexit-Handelspakt mit Großbritannien gestellt. In Berlin wertete das Bundeskabinett unter Leitung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Abkommen positiv. In Brüssel votierten die EU-Botschafter für die vorläufige Anwendung ab 1. Januar.

Das mühsam ausgehandelte Handels- und Partnerschaftsabkommen soll die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Insel und dem Kontinent ab Januar 2021 regeln. Wichtigster Punkt ist, Zölle zu vermeiden und möglichst reibungslosen Handel zu sichern. Das Bundeskabinett sei sich in einer Telefonkonferenz „einig in der positiven Würdigung des Abkommens“ gewesen, erklärte Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin.

Die vorläufige Anwendung des Vertrags ist nötig, weil für eine Ratifizierung durch das Europaparlament vor dem Jahresende die Zeit fehlt – sie soll nach Neujahr nachgeholt werden. Auf britischer Seite soll das Parlament am 30. Dezember zustimmen.

Die Unterhändler beider Seiten hatten sich erst an Heiligabend auf das knapp 1250 Seiten starke Dokument geeinigt. Es soll einen harten wirtschaftlichen Bruch vermeiden. Gleichwohl werden die Beziehungen künftig weit weniger eng sein. So werden trotz Vertrags an den Grenzen Warenkontrollen nötig, unter anderem, weil Nachweise für die Einhaltung von Lebensmittel- und Produktstandards fällig werden.

Britische Fischer fühlen sich bei dem Brexit-Deal von Premierminister Johnson betrogen. „Boris Johnson hat uns die Rechte an allen Fischen versprochen, die in unserer exklusiven Wirtschaftszone schwimmen, aber wir haben nur einen Bruchteil davon erhalten“, sagte der Chef des nationalen Verbunds der Fischereiorganisationen (NFFO), Andrew Locker, dem Sender BBC Radio 4. „Ich bin wütend, enttäuscht und fühle mich betrogen.“ Staatsminister Michael Gove widersprach. Großbritannien werde vielmehr in einer viel stärkeren Position als in der EU sein, sagte er dem Sender. Unter der gemeinsamen Fischereipolitik der EU hätten britische Fischer nur Zugang zu 50 Prozent der Fische in britischen Gewässern gehabt. Diese Zahl steige nun bis 2026 auf zwei Drittel.

Auf EU-Seite ist die Europäische Fischerei-Allianz aber ebenfalls enttäuscht. „EU-Fischer werden einen hohen Preis für eine Brexit-Vereinbarung zahlen“, klagte der Verband vorige Woche. Ihre Zukunft sei ungewiss.

Klarer sind nun die Einreise-Regeln. Während Touristen sich nach dem Ende der Freizügigkeit vor allem auf strengere Grenzkontrollen einstellen müssen, kommt auf Geschäftsreisende und Auswanderer viel Bürokratie zu. Noch bis Oktober können EU-Bürger mit ihrem Personalausweis nach Großbritannien einreisen, danach benötigen sie einen Reisepass. Aufhalten dürfen sie sich im Vereinigten Königreich dann für maximal sechs Monate. Wer einen Eintrag im Strafregister hat, kann mit einer Einreisesperre belegt werden. Nur für irische Staatsbürger bleibt die Freizügigkeit bestehen.

Briten, die in die EU einreisen, können künftig nicht mehr an automatisierten E-Gates einchecken, sondern müssen ihre Pässe vor Grenzpolizisten vorzeigen. Zu erwarten sind deshalb längere Warteschlangen vor den besetzten Kontrollkabinen.

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