Zutritt nur mit Impfpass: „Das wäre kein Problem“

von Redaktion

Ein Verfassungsrechtler erklärt die juristische Dimension der Debatte über Sonderregeln

Wie nah sind wir an einer Impfpflicht gegen Corona? Walther Michl, Verfassungsrechtler an der LMU, erklärt, wie weit der Staat gehen darf – und ob es Sonderrechte für Geimpfte geben könnte.

Kann man zum Impfen gezwungen werden?

Das kommt drauf an, was man unter „zwingen” versteht. Seit März gibt es die Impfpflicht gegen Masern – davon sind vor allem medizinisches Personal und Kinder betroffen. In erster Linie stellt sich die Frage: Was passiert, wenn ich mich weigere? Natürlich wird man niemanden fesseln und eine Spritze in den Arm jagen. Aber bei medizinischem Personal wäre das ein Kündigungsgrund. Und Eltern erwartet ein Bußgeld, wenn Kinder nicht gegen Masern geschützt sind. Das könnte auch bei Corona so gehandhabt werden. Die Frage ist nur, ob wir das brauchen.

Heißt: Wenn sich nicht genug Menschen impfen lassen, kann das eine Impfpflicht rechtfertigen?

Genau. Das war bei den Masern so: Da war die freiwillige Impfquote zu niedrig, um die Krankheit zu eliminieren.

Wenn es mit Corona auch so laufen sollte – kann ich dann im Job oder in der Schule zur Impfung verpflichtet werden?

Bei Homeoffice-fähigen Jobs ist das aus meiner Sicht ausgeschlossen. In anderen Bereichen stellt sich die Frage: Wie relevant ist die Impfpflicht hier für die Erreichung der Herdenimmunität? Das hängt immer vom aktuellen Infektionsgeschehen ab. Nehmen wir an: 50 Prozent der Bevölkerung sind geimpft, und jetzt brauchen wir noch zehn Prozent für die Herdenimmunität. Dann kann sich der Staat überlegen: Wen können wir legitimerweise dazu verpflichten, diese Lücke zu schließen? Eine Impfpflicht an Schulen wäre denkbar, wenn sich herausstellt, dass Schulen Pandemietreiber sind. Und vielleicht könnte man auch – neben medizinischem Personal – bei Jobs ansetzen, wo es zu vielen Kontakten kommt.

Reisen nur für Geimpfte – ist das vorstellbar?

Man kann viel darüber streiten, wie weit Anreize gehen dürfen – und inwiefern man Menschen Vorteile vorenthalten darf, weil sie sich nicht impfen lassen. Beim Reisen sind das aber keine neuen Fragen: Schon jetzt darf man in viele tropische Regionen nur mit speziellen Impfungen einreisen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass mehrere Länder auch für Corona solche Bestimmungen festlegen werden – auch innerhalb der EU wäre das möglich, nachdem viele Grenzen zeitweise praktisch dicht waren. Die Airlines hätten gar keine andere Wahl, als sich an die Bestimmungen des Ziellandes zu halten. Selbst bei Inlandsflügen könnte etwa die Lufthansa auf ihre Beförderungsbestimmungen verweisen: Da ist geregelt, dass die Beförderung die Gesundheit anderer Fluggäste nicht beeinträchtigen darf. Wenn das Infektionsgeschehen hoch ist, könnte das auch die Vorlage eines Impfpasses rechtfertigen. Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass diese Klausel im Zusammenhang mit Covid-19 gezogen wird.

Darf der Türsteher an der Disco sagen: Zutritt nur mit Immunitätsnachweis?

Ja, das ist im Prinzip kein Problem. Der Staat ist an Grundrechte gebunden, aber zwischen Privatleuten herrscht Vertragsfreiheit: Ich kann Geschäfte machen, mit wem ich will. Deswegen kann ich auch an der Disco abgewiesen werden, weil dem Türsteher meine Turnschuhe nicht gefallen. Ich darf nur aus bestimmten Gründen nicht ausgeschlossen werden – etwa wegen meiner Hautfarbe oder meiner Nationalität. Impfnachweise gehören nicht dazu. Das gilt auch für Restaurants oder Konzerte. Interview: Kathrin Braun

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