München/Berlin – Auf den ersten Blick ist alles entsetzlich anders. Die CSU, bei ihren Winterklausuren jahrzehntelang von Kreuther Tiefschnee und Seeoner Idyll verwöhnt, muss diesmal am hässlichen Berliner Alexanderplatz tagen: in einer Kongresshalle aus den 60er-Jahren, die aussieht wie ein in einen Flachbau gestürztes Ufo. Corona-Bedingungen halt, da hilft ein großer Raum mit stabilem Internet und klarem Hygienekonzept mehr als jede noch so schöne Klosterkulisse.
Auf den zweiten Blick ist alles wie immer. Vor der Klausur am 6./7. Januar nutzt die CSU die nachrichtenärmere Zeit, um mit vielbeachteten Positionspapieren ihren Kurs fürs neue Jahr abzustecken. Der Grundton der vergangenen Jahre ist konstant: in sozialen Fragen zugewandt, in der Sicherheitspolitik hart und laut. In einem umfassenden Forderungskatalog, der unserer Zeitung vorliegt, verlangt die von Alexander Dobrindt geführte Landesgruppe mehrere Verschärfungen.
Neu ins Visier nimmt die CSU nach Corona die Verschwörungstheoretiker. „Der Bundesverfassungsschutz muss ein sehr wachsames Auge auf radikale Querdenker, QAnon und andere Verschwörungsextremisten haben“, heißt es im Entwurf des Beschlusspapiers. Man müsse „mit aller Härte gegen die vorgehen können, die unter dem Deckmantel der Ausübung ihrer Freiheitsrechte in Wahrheit unsere Demokratie angreifen wollen“.
Kriminelle Clans, ein Problem vor allem in Berlin und NRW, sollen leichter enteignet werden dürfen. „Wir wollen ihnen ihr kriminell erlangtes Geld, ihre Luxuskarossen und ihre Luxusimmobilien nehmen“, schreibt die CSU. Es brauche eine Beweislastumkehr bei der Einziehung von Vermögen – der Clan müsste nachweisen, dass das Geld aus legalen Quellen stammt. Bundesweit soll es Aussteigerprogramme aus Clans geben, dazu umfassenden Zeugenschutz.
Auch im Umgang mit Gefährdern will Dobrindts 46-köpfige Landesgruppe mehr Druck – etwa mit Fußfesseln und Sicherungsverwahrung. Man brauche „maximale Härte. Der Umgang mit Gefährdern ist die Bewährungsprobe für unseren Rechtsstaat. Hier entscheidet sich, ob es uns gelingt, terroristische Anschläge zu verhindern oder nicht.“ Die Sicherungsverwahrung soll schon für Ersttäter möglich sein. Wer sich etwa im Ausland als Terrorist ausbilden lasse, „ist eine dauerhafte Gefahr für die Bevölkerung und gehört auch dauerhaft hinter Gitter“.
Die CSU steuert eine große Strafrechtsreform an – ein Paket statt vieler kleiner Nachbesserungen. Es brauche „noch mehr Härte gegenüber Wiederholungs-, Intensiv- und schweren Straftätern“. Gegen Täter, die bei laufender Bewährung erneut straffällig werden, müsse die Freiheitsstrafe vollzogen werden. Sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern soll generell als Verbrechen (nicht: Vergehen) eingestuft werden. Außerdem soll das Erstellen von „Feindeslisten“ zum Straftatbestand werden.
Es brauche eine „umfassende Offensive für Sicherheit und Ordnung“, verlangt Dobrindt, „mit maximaler Unterstützung für unsere Polizisten und Sicherheitsbehörden und maximaler Härte gegen Kriminelle und Terroristen“. Sicherheit bleibe die Grundlage für gesellschaftlichen Zusammenhalt, hohe Lebensqualität und ein freies Leben.
Frühere Klausuren lehren: Schnell wahr werden die Forderungen der CSU selten, sickern aber auf Dauer in die Regierungsarbeit ein. In der Sozialpolitik wiederholen Dobrindts Abgeordnete deshalb Kernforderungen. Das Elterngeld soll um zwei auf 16 Monate verlängert werden, wenn Väter mehr Elternzeit machen. Die Kinderbetreuung soll stärker von der Steuer abgesetzt werden können – bis maximal 6000 Euro. Ein „Pflegekostendeckel“ soll den Eigenanteil für die Pflege im Heim, den der Einzelne leisten muss, auf maximal 700 Euro pro Monat begrenzen. Pfleger sollen jetzt zudem 5000 Euro „Neueinsteiger-Prämie“ bekommen.
Gäste der Klausur in Berlin sind unter anderem Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.