Das nächste Trump-Impeachment

von Redaktion

VON CHRISTIANE JACKE UND FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Nach der Erstürmung des US-Kapitols durch Anhänger von Donald Trump hat das Repräsentantenhaus ein erneutes Amtsenthebungsverfahren gegen den abgewählten Präsidenten eröffnet. Die Kongresskammer stimmte gestern Abend (MEZ) mehrheitlich dafür, dass sich Trump im Senat wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ verantworten muss. Damit geht Trump in die Geschichte ein: Noch nie wurden gegen einen US-Präsidenten gleich zwei Amtsenthebungsverfahren eröffnet.

Bei dem Votum stimmten auch zehn Republikaner dafür, ihren Parteikollegen aus dem Amt zu entfernen. Die Demokraten werfen Trump vor, er habe die Ausschreitungen angezettelt, und hatten in wenigen Tagen ein Amtsenthebungsverfahren vorbereitet. Gestern nannte Nancy Pelosi, demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Trump eine „klare und gegenwärtige Gefahr für das Land“.

Trump muss sich nun einem Impeachment-Verfahren im Senat stellen. Die Entscheidung in einem Amtsenthebungsverfahren fällt immer in dieser Kongresskammer, die bei dem Prozedere die Rolle eines Gerichts einnimmt. Im Senat wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig, um Trump am Ende zu verurteilen. Dafür müssten sich 17 republikanische Senatoren auf die Seite der Demokraten schlagen. Sollte ihn der Senat für schuldig befinden, könnte er Trump auch mit einfacher Mehrheit untersagen, 2024 noch mal anzutreten. Dass er dies in Erwägung zieht, hatte der Präsident durchblicken lassen.

Trump gedenkt offenbar, die Krise auszusitzen und sich – wie am Dienstag in Texas – mit den Worten zu verteidigen, seine Rede vor dem Sturm seiner Fans auf das Kapitol sei „völlig angemessen“ gewesen. Doch unterschätzt er dabei die Strömungen innerhalb der Partei, die gegen ihn laufen? Die bisher wichtigste Aussage soll dabei laut „New York Times“ von Senats-Fraktionschef Mitch McConnell kommen, der bis vor Kurzem treu an der Seite des Präsidenten stand. Er sehe nun Handlungen Trumps, die eine Amtsenthebung rechtfertigen würden, meldet das Blatt. Und: Ein „Impeachment“ werde es für ihn einfacher machen, die Partei von Trump zu „reinigen“, wird McConnell zitiert.

Wer an der Seriosität dieser bedeutenden Meldung zweifelt, sollte sich daran erinnern, dass McConnell mit Elaine Chao verheiratet ist. Die Ex-Transportministerin war letzte Woche das erste Kabinettsmitglied, das zurücktrat. Im Repräsentantenhaus soll derweil Fraktionschef Kevin McCarthy andere Republikaner gefragt haben, ob er Trump zum Rücktritt drängen solle. In der gestrigen Debatte legte McCarthy sich fest: Trump trage die Verantwortung für den Sturm auf das Kapitol.

Dass in der Parteiführung die Unterstützung für Trump bröckelt, dafür spricht auch die Stellungnahme von Liz Cheney. Die Abgeordnete gilt als drittmächtigste Volksvertreterin der Republikaner und ist die Tochter von Ex-Vizepräsident Dick Cheney. Ihre Kritik ist an Schärfe kaum zu überbieten. Der Präsident habe den Mob gerufen und die „Flammen für die Attacke gezündet“. Nie habe es einen größeren Betrug eines Präsidenten an seinem Amtseid und Amt gegeben.

Das Heft des Handelns liegt nun bei Mitch McConnell, der nach eigenen Angaben seit Mitte Dezember mit dem Präsidenten kein Wort gewechselt hat. Das Schweigen begann, als er öffentlich erklärte, was für Trump so unerträglich war: Dass er Joe Biden als neuen Präsidenten anerkennen werde.

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