Zwischen Erbfolgekrieg und Prinz-Charles-Syndrom

von Redaktion

Rückblick: Die Wechsel an der Parteispitze der CDU – und ihre Folgen für die Kanzlerschaft

Bonn/Berlin – Die CDU hat in ihrer Geschichte – im Gegensatz etwa zur SPD – zwar nur acht Vorsitzende verbraucht, der Wechsel an der Spitze lief aber in den seltensten Fällen reibungslos. Oft war das Ende einer Ära in Parteivorsitz und – damit meist eng verbunden – auch im Kanzleramt von heftigen Machtkämpfen begleitet. Drei Beispiele:

Ära Konrad Adenauer 1950 bis 1966

Den wohl brutalsten „Erbfolgekrieg“ an der Spitze von Union und Bundesregierung fochten der erste Kanzler der jungen Bundesrepublik und der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard aus. Der Alte von Rhöndorf schätzte den Zigarre rauchenden „Vater der Marktwirtschaft“ zwar außerordentlich als Wirtschaftsminister, hielt ihn aber politisch für naiv und unfähig, sein Nachfolger im Amt des Bundeskanzlers zu werden. Es war nicht zuletzt auch ein Kampf zwischen „Atlantikern“ und „Gaullisten“ in der Union. Erhard hielt Adenauers Annäherungskurs an Frankreich für verhängnisvoll, umgekehrt kritisierte der Rheinländer Erhards Skepsis gegenüber zu starker Integration in Europa.

Was folgte, war ein jahrelanger Kampf Adenauers, Erhard als Kanzler zu verhindern. Erfolglos: 1963 zog Erhard im Bonner Palais Schaumburg ein (dem damaligen Kanzlersitz). Erhards Fehler, den er zu spät erkannte, war, erst 1966 auch den Parteivorsitz von Adenauer zu übernehmen. Erhard, der „gute Mensch vom Tegernsee“, hielt sich nur drei Jahre an der Regierungsspitze. Als er am 30. November 1966 zurücktrat, kommentierte Adenauer unversöhnlich: „Hauptsache, et is Einer wech!“

Ära Helmut Kohl 1973 bis 1998

Als Helmut Kohl die CDU von seinem alten Rivalen Rainer Barzel übernahm, dem blitzgescheiten, aber an Misstrauensvotum und verlorener Bundestagswahl gegen SPD-Kanzler Willy Brandt Gescheiterten, wurde er in Bonn als Provinzpolitiker verspottet. Doch davon ließ sich der Oggersheimer nicht beirren. Er wandelte die CDU von der Honoratiorenpartei in eine moderne Mitgliederpartei um und übte Einfluss bis in den letzten Kreisverband aus. Das „System Kohl“ entstand. Ab Ende der 80er erwuchs ihm in Wolfgang Schäuble nicht nur ein fähiger Mitarbeiter und Minister, der Schwabe galt spätestens Mitte der 90er als „Kronprinz“ des Kanzlers der Einheit. Doch Schäuble erlebte das „Prinz-Charles-Syndrom“: Kohl wollte weder an der Parteispitze noch im Kanzleramt Platz machen. Die Einführung des Euro sei ohne ihn nicht durchzusetzen, glaubte der Pfälzer und führte die Union 1998 sehenden Auges in die Wahlniederlage gegen SPD-Herausforderer Schröder. Beinahe tragisch: Schäuble wurde 1998 zwar schließlich doch noch CDU-Chef, stolperte dann aber bereits im Jahr 2000 über die CDU-Spendenaffäre. Die damalige Generalsekretärin Angela Merkel nutzte seine Schwäche und setzte sich 2002 als CDU-Chefin durch.

Ära Angela Merkel 2000 bis 2018

Mit ihrer Migrationspolitik in der Flüchtlingskrise brachte Angela Merkel trotz erfolgreicher Kanzlerschaft weite Teile der Union gegen sich auf. In der Erkenntnis, für den Machterhalt im Kanzleramt den Stuhl im Adenauer-Haus opfern zu müssen, setzte Merkel auf die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, um ihren alten Rivalen Friedrich Merz von der Macht fernzuhalten. Vergeblich. „AKK“ setzte sich mit ihrer Hilfe zwar 2018 durch, scheiterte dann aber im Schatten der Kanzlerin. Merz hat heute seine zweite Chance auf das Merkel-Erbe. ALEXANDER WEBER

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