Berlin – Der Kampf um den Lockdown geht in die nächste Runde. Zwischen Bund und Ländern dürfte es morgen ein Tauziehen um weitere Maßnahmen geben. Weil die Zahlen nicht schnell genug sinken, aber gleichzeitig eine neue Virus-Mutation im Land einsickert, wollen vor allem Bundespolitiker die Regeln verschärfen. Aus den Ländern gibt es teils Skepsis – erstmals sogar vernehmbar aus dem sehr strengen Bayern.
Die Datenlage macht etwas Hoffnung. Positiv ist derzeit, dass die Zahlen etwas unter Dezember liegen. Und: Die Infektionen in sieben Tagen pro 100 000 Einwohner sinken leicht: Von 166,6 am 10. Januar auf 136,0 am 17. Januar, wie RKI-Daten zeigen. Wie lange dieses Sinken anhält, ist jedoch unklar.
Zudem ist die britische Mutation wohl massiver im Land verbreitet als bisher bekannt. „Die neue Virusvariante ist in Deutschland angekommen“, sagt Clemens Wendtner, Chefarzt in der München Klinik. Drei bestätigte Fälle gibt es laut „Spiegel“ allein in Bayern. Eine Frau, die in der Schwabinger Klinik behandelt wurde, sei verstorben. „Es ist möglich, dass die Pandemie noch einmal ganz anderen Schwung bekommt“, warnt Wendtner.
Das Kanzleramt bastelt seit Tagen an Plänen, die Regeln zu verschärfen. Noch mehr Homeoffice, vielleicht sogar als Pflicht, strenge Grenzkontrollen, noch weniger Kontakte im Privaten und auch in Bus und Bahn, vielleicht eine längere Schulschließung – bis Sonntagabend lag noch kein Gesamtkonzept vor. Zumal die geltenden Regeln in den einzelnen Ländern anders ausgelegt werden: Eine nächtliche Ausgangssperre gilt nur in Teilen der Republik. In NRW und Hessen sind die Limits für Kontakte im Privaten vage, in Niedersachsen sollen Grundschulen bald öffnen. Die FFP2-Pflicht gilt ab heute auch nur in Bayern.
Das zu vereinheitlichen, wäre also auch schon strenger – nur eben nicht im Freistaat. Hier gibt es in diesem Durchgang durchaus Skepsis, ob weitere Verschärfungen vermittelbar sind. Aus der CSU-Fraktion ist das zu hören, ebenso vom Koalitionspartner Freie Wähler. Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger warnt: „Wer den ÖPNV lahmlegt, verursacht in den Städten Chaos. Wir müssen den ÖPNV mit intelligenten Maßnahmen wie FFP2-Masken und Verhinderung von Überfüllung offen halten.“ Selbiges gelte für den Handel. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) deutet in der „FAZ“ an: „Gerecht ist, was für alle gilt. Wir brauchen ein belastbares Konzept, das überall in Deutschland gilt.“ Zu viele Unterschiede verwirrten die Menschen nur.
Für härtere Maßnahmen wagt sich Unionsfraktions-chef Ralph Brinkhaus (CDU) aus der Deckung. „Jetzt lieber einmal richtig – anstatt eine Endlosschleife bis in den Sommer hinein. Und ich erwarte, dass die Dinge, die (…) in Berlin beschlossen werden, dann zu Hause in den Landeshauptstädten eins zu eins umgesetzt werden.“ Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verlangt einen „bundesweiten Kraftakt“ bis 8. Februar. Und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte einen „wirklich harten Lockdown“.
Der Hauptgeschäftsführer vom Städte- und Gemeindebund, Gerd Landsberg, bezeichnete dagegen eine Verlängerung der gegenwärtigen Beschränkungen als notwendig. Ein „Mega-Lockdown“ mit weiteren Verschärfungen sei allerdings keine Lösung und könnte die unverzichtbare Akzeptanz gefährden.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, betonte, dass Verschärfungen nicht zu einem Besuchsverbot in Pflegeheimen führen dürften. Auch wenn für Menschen in einer stationären Pflegeeinrichtung eine Corona-Erkrankung ein höheres Risiko darstelle, dürfe die Selbstbestimmung der Bewohner nicht infrage gestellt werden.