Russlands Sputnik-Impfstoff bald auch in Deutschland?

von Redaktion

Bei der EU läuft derzeit ein Zulassungsverfahren – Merkel bietet Putin Hilfe an, trotz politischer Differenzen

München – Schon der Name ist eine Provokation. Sputnik V, so heißt der Corona-Impfstoff, der seit Anfang Dezember in Russland verabreicht wird. Die Anspielung auf jenen Erdsatelliten, mit dem die Sowjetunion den Westen in den 1950er-Jahren düpierte, liegt auf der Hand, genau wie die Botschaft dahinter: Auch im Rennen um das erlösende Vakzin wollte es Moskau allen anderen zeigen.

Tatsächlich wurde Sputnik V im August als weltweit erster Impfstoff freigegeben. Die Schnelligkeit hatte aber ihren Preis: Die Zulassung wurde erteilt, noch bevor die Ergebnisse der klinischen Phase-3-Studie vorlagen, sie genügte also internationalen Standards nicht. In der Fachwelt gab es viel Kritik und auch im Westen wurde Sputnik V eher müde registriert als gefeiert. Das könnte sich bald ändern.

Moskau hat nämlich bei der EU-Arzneimittelagentur EMA die Zulassung für seinen Impfstoff beantragt – und die Bundesregierung hat bereits Interesse signalisiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte vergangene Woche in Berlin, sie habe schon mit Wladimir Putin telefoniert und ihm für das EMA-Verfahren die Unterstützung des bundeseigenen Paul-Ehrlich-Instituts angeboten. „Wenn es eine Zulassung gibt“, sagte die Kanzlerin dann noch, „können wir auch über eine gemeinsame Produktion reden.“ Putin soll darüber auch schon mit EU-Ratschef Charles Michel gesprochen haben.

Gut möglich also, dass Sputnik V bald auch in Deutschland verimpft wird. Bisher stehen hier nur zwei Vakzine zur Verfügung: nämlich die der Firmen Biontech/Pfizer und Moderna. Im Gegensatz zu ihnen setzt Sputnik V nicht auf die neue mRNA-Technologie, sondern beruht auf dem so genannten Vektor-Prinzip. Dabei provozieren unschädlich gemachte Viren im Körper eine Immunreaktion. Die Entwickler des Gamaleja-Institut für Epidemiologie in Moskau geben die Wirksamkeit mit 95 Prozent an. Die Vorteile: Es ist leicht zu transportieren, weil es nicht so stark gekühlt werden muss wie etwa das Vakzin von Biontech. Und es ist verhältnismäßig billig.

Putin dürfte die Zulassung in Europa sehr gelegen kommen. Sie bringt nicht nur Geld, sondern verdeckt auch die politischen Differenzen, die gegenwärtig groß sind. Der Umgang des Kreml mit dem Oppositionellen Alexej Nawalny ist nur ein Beispiel. Merkel sieht darin kein Hemmnis. Im humanitären Bereich könne man dennoch zusammenarbeiten, sagte sie.

Andere EU-Länder scheinen das ähnlich zu sehen. Mehrere Staaten hätten „ernsthaftes Interesse“ an dem Impfstoff signalisiert, sagte Ende letzter Woche Kirill Dmitrijew, der Chef des staatlichen Direkt-Investmentfonds. Ungarn hat sogar schon eine Notzulassung erteilt und zwei Millionen Dosen bestellt – an Brüssel vorbei. In Argentinien ist Sputnik V längst im Einsatz, viele andere Staaten haben den Impfstoff schon geordert. In Russland sollen bisher anderthalb Millionen Menschen geimpft worden sein.

Ende Januar sollen die Ergebnisse der Phase-3-Studie im Fachblatt „The Lancet“ veröffentlicht werden – eine Voraussetzung für die EMA-Prüfung. Wie schnell es mit der Zulassung gehen könnte und wie viele Dosen die EU und Deutschland ordern würden, ist unklar. M. MÄCKLER

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