„Der Zustand der Gesundheitsämter ist ein Skandal“

von Redaktion

Personell und technisch nicht auf Zack: Katharina Schulze wirft Söder schwere Versäumnisse vor

München – Die Gesundheitsämter sind entscheidend für die Pandemiebekämpfung, doch bei der Kontaktnachverfolgung kommen sie schnell an ihre Grenzen. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze macht die Staatsregierung verantwortlich – und fordert eine Ausbauinitiative.

Frau Schulze, die Kanzlerin sorgt sich um die Gesundheitsämter, falls sich die Virus-Mutation weiter ausbreitet. Zu Recht?

Absolut. Die Infektions-Lage ist weiter ernst und wird noch ernster, weil die Gesundheitsämter gnadenlos überlastet sind. Das ist ein Kardinalfehler der Staatsregierung.

Inwiefern?

Sie hat es trotz ständiger Beteuerungen in einem Jahr Pandemie nicht geschafft, die Ämter personell und technisch so auf Zack zu bringen, dass die Kontaktnachverfolgung klappt. In jedem fünften Amt fehlt die Leitung, es gibt ein riesiges Softwareproblem. Das ist ein Skandal. Gesundheitsämter sind das Rückgrat der Pandemiebekämpfung. Sie gehören massiv gestärkt.

Wie genau?

Es braucht eine Ausbauinitiative: Warum werden zum Beispiel keine Studierenden angeworben, die in der Krise ihre Nebenjobs verloren haben? Oder Mitarbeitende aus Reise-Callcentern. Sie sind für die Kontaktnachverfolgung top geeignet, die haben das Telefonieren gelernt. Die Regierung muss für die Gesundheitsämter Ziele setzen und dann die Mittel bereitstellen. Dazu gehört übrigens auch eine breite IT-Unterstützung. Software unter Volllast umzustellen, ist extrem schwierig.

Die Software scheint ein leidiges Thema zu sein…

Wir Grüne haben schon vor der Sommerpause kritisiert, dass die Ämter noch mit Fax und Zettel arbeiten. Dann hat die Staatsregierung „Baysim“ entwickelt, eine eigene Software, die ein Großteil der Gesundheitsämter aber nicht wollte, weil sie für ihre Bedürfnisse nicht passte. Im Dezember drängte Markus Söder dann, schnell auf „Sormas“ umzustellen – während die Ämter mit 200er-Inzidenzen kämpften. Warum ist das nicht schon im Sommer passiert, wo man die zweite Welle hätte vorbereiten können?

Ähnliche Probleme gibt es bundesweit…

Zur Rechtfertigung auf andere zu verweisen, ist wohlfeil. Der öffentliche Gesundheitsdienst liegt auch in der Verantwortung der Länder. Es geht um Schnelligkeit. Wenn ich höre, dass Menschen eigenverantwortlich in Quarantäne gehen und dann erst Tage später von ihrem Gesundheitsamt kontaktiert werden, ist das ein bitterer Witz.

Wie erklären Sie sich die mangelnde Ausstattung?

Markus Söder ist schnell und laut bei öffentlichen Verlautbarungen, schafft aber die Umsetzung nicht. Es ist doch klar: Jeder Euro, der in Gesundheitsämter fließt, ist ein guter Euro, weil er hilft, uns aus der Krise zu bringen.

Ab Inzidenz 50 wird die Kontaktnachverfolgung schwierig. Wäre mehr drin?

Wir müssen die Gesundheitsämter in die Lage versetzen, auch höhere Inzidenzen zu managen. Dann haben wir auch eine Chance, Daten zu bekommen, wo sich Menschen anstecken. Unsere Anfrage bei der Staatsregierung hat gezeigt: Bei 83 Prozent der Fälle ist der Ansteckungsort unklar (mehr im Bayernteil). Das ist ein Riesenproblem. Wenn wir bei den Ansteckungsorten klarer sehen, können wir über Lockerungen gezielter sprechen.

Interview: Marcus Mäckler

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