Berlin/München – In Belgien wollen sie nicht mehr länger warten. Die dortige Regierung verbietet seit gestern nicht notwendige Reisen aus oder in Deutschlands Nachbarland. Urlaube oder Freizeit-Trips über die Landesgrenze sind damit untersagt. Im Straßen-, Flug-, Schiffs- und Schienenverkehr soll es Kontrollen geben. Wer beruflich unterwegs ist, seinen Lebenspartner besucht, Waren transportiert, oder einen anderen triftigen Grund vorbringen kann, soll aber weiter unbehelligt bleiben.
Denkbar, dass sich Horst Seehofer (CSU) etwas sehr Ähnliches vorgestellt hat, als er jüngst „drastische Maßnahmen“ in Aussicht stellte. Wie seine Kollegen in Belgien plagt den deutschen Innenminister die Sorge vor besonders ansteckenden Virus-Mutationen, wie der zuerst in Großbritannien aufgetretenen Variante. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) würde die Reisetätigkeit der Deutschen am liebsten so weit wie möglich drosseln. Noch hält Deutschland die Füße still.
Zwar hat Seehofer bereits Vorschläge für eine „Einschränkung von Reisemöglichkeiten“ gemacht, die gestern im Bundeskabinett auch diskutiert wurden. In seinem Maßnahmen-Koffer befanden sich dabei auch die deutlich schärferen Grenzkontrollen sowie die Reduzierung des Flugverkehrs nach Deutschland auf „nahezu Null“. Ein Sprecher seines Ministeriums bestätigte am Abend, die Ressorts würden sich bereits über eine Vorlage zu Einreiseverboten abstimmen. Auch eine Einschätzung des Robert-Koch-Instituts zu entsprechenden Ländern soll noch eingeholt werden, berichtete der „Spiegel“.
Man wolle diese Woche aber erst einmal die Ergebnisse der Abstimmung in Brüssel zu Reisen und Eindämmungsmaßnahmen auf europäischer Ebene abwarten, sagte eine Regierungssprecherin. „Das schließt natürlich nationales Vorgehen nicht aus.“ Ende dieser oder Anfang nächster Woche wolle man da konkreter werden, kündigte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) an.
Die Debatte läuft unterdessen auf Hochtouren. Der Vorstand des Intensivmediziner-Verbands, Uwe Janssens, kritisiert bei RTL, dass einerseits Schulen geschlossen seien, aber Flüge aus Südafrika, Brasilien und Großbritannien weiter hier einträfen. Auch der in der Bundesregierung gern gehörte Virologe Christian Drosten nannte weitere Reiseeinschränkungen aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll. Selbst Clemens Fuest – Präsident des ifo-Instituts und sicher kein Wirtschaftsfeind – sagte im SWR, der Reiseverkehr müsse „auf das Notwendige reduziert“ werden. Es gehe weniger darum, Flüge generell zu untersagen. „Aber Urlaubsreisen brauchen wir derzeit nicht.“ So ähnlich sieht es die SPD. Wenn den Menschen zugemutet werde, sich nicht weiter als 15 Kilometer von ihrem Landkreis zu entfernen, könne auch der Winterurlaub auf den Malediven infrage gestellt werden, sagte Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider.
Auch in der CSU gibt es dazu Überlegungen, jedenfalls für die Einreise. Für die Mutationsgebiete (aktuell wären das Großbritannien, Portugal, Südafrika, mittelfristig wohl weitere Länder auch in Europa) brauche es „eine schnelle Reisebeschränkung“, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unserer Zeitung: „Rein touristische Reisen aus Mutationsgebieten müssen schnell unterbunden werden.“
Immer mehr andere Staaten schaffen bereits selbst Fakten. Neben Belgien hat auch Finnland die meisten Reisenden aus dem Ausland ausgeschlossen, Norwegen will morgen nachziehen. Israel macht heute ebenfalls seine Grenzen dicht. Wer mit dem Flugzeug in der Schweiz landen will, muss vorab einen negativen Test vorweisen. Und die von einer Mutation bereits heftig gebeutelten Briten führen für Einreisende aus Gebieten mit besonders hohem Risiko eine verpflichtende Quarantäne in Hotels ein.