München – Den stärksten Moment seines Tages hat der neue Minister ausgerechnet, als er nichts sagt, fast nichts. Mit einem einzigen kühlen Satz lässt Klaus Holetschek in der formalen Regierungsbefragung einen AfD-Abgeordneten kalt abtropfen, und schweigt dann. „Das war’s?“, fragt sogar die Landtagspräsidentin verdutzt, und die AfD stottert vergeblich eine Nachfrage. Ja, das war’s.
Die Kunst des Schweigens ist nicht weit verbreitet in Parlamenten. Schon gar nicht an Tagen, an denen es Regierungserklärungen gibt, also rituelle Rednerei. Auch deshalb ist es ganz interessant an diesem Mittwochnachmittag, Holetschek beim Wechsel aus Schweigen und Sprechen zu verfolgen. Er darf seine Premiere als Gesundheitsminister geben. Zum ersten Mal trägt statt Ministerpräsident Markus Söder nur ein Ressortchef die Grundlinie der Corona-Politik der nächsten Wochen vor. Es ist ein Vertrauensbeweis für Holetschek, aber natürlich auch Söders Versuch, mal einen anderen in die Schusslinie zu stellen. Denn von Mal zu Mal wird es politisch unangenehmer, mit neuen Regeln vor die Abgeordneten zu treten.
Holetschek bleibt strikt bei der Linie seines Chefs, von Söder wohlwollend, aber aufmerksam beäugt: „Keine Panik, aber jetzt erst recht vorsichtig sein“, rät er, „weil der Mutant unterwegs ist“. Auch er lässt Kritik an der Impfstoff-Beschaffung anklingen: „Die Verantwortung liegt bei Bund und Europa.“ Der Minister verlangt mehr Planbarkeit und einen harten Kurs auch den Unternehmen gegenüber. „Es ist keine normale Lage. Es ist Notstand.“
Eigentlich gibt es kaum Neues: Der Landtag nickt die Verlängerung des Lockdowns bis Mitte Februar mit den Stimmen von CSU, FW, Grünen (Enthaltung SPD, dagegen FDP und AfD) ab. Korrekturen sind minimal, von der Staatsregierung bereits vollzogen: dass Abholung im Einzelhandel jetzt wieder erlaubt ist, zum Beispiel.
Holetschek spricht engagiert, aber nicht hektisch, einer von wenigen, die nicht vom Blatt ablesen müssen. Der Grundton im Parlament ist aber schroffer als bisher. Die Grünen tragen weiter fast alle Maßnahmen mit, greifen aber die Staatsregierung scharf an. Fraktionschefin Katharina Schulze kritisiert die Lockerungs-Rufe von Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger („Sie schwadronieren“) und spricht ihm die Reife fürs Amt ab. Über Söder sagt Schulze, er solle weniger Interviews geben „und mehr Akten lesen“. Sein Krisenmanagement sei schlecht.
Die SPD fordert eine neue Impfstrategie und eine zentrale, einfache Terminvergabe. Knappheit sei nicht das einzige Problem. Die FDP verlangt, in Bayern alle positiven PCR-Tests auf Mutationen zu untersuchen, nicht nur fünf bis zehn Prozent. Die AfD stellt alle Maßnahmen infrage. „Wann lassen Sie uns endlich wieder frei“, ruft Fraktionschef Ingo Hahn, „nie wieder?“ Einer seiner Abgeordneten spricht in seiner Rede von „Corona-Stasi“; gemeint ist wohl die Polizei, die Ausgangssperren kontrolliert.
Gleichzeitig versuchen CSU und Freie Wähler, die Unruhe in ihrer Koalition zu dämmen – der Aiwanger-Teil ruft ja immer lauter nach Lockerungen, der Söder-Teil warnt vor der Viren-Mutation. Beide Fraktionen einigen sich vorerst auf einen Formelkompromiss in einem gemeinsamen Antrag. Tenor: Irgendwie sei beides richtig und eines Tages werde man auch wieder lockern. Politische Folgen hat das zunächst nicht.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER