München – Am Ende eines turbulenten Tages geschah das, was bei Streitigkeiten grundsätzlich immer vernünftig ist. Man sprach miteinander. Vertreter der EU-Kommission und des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astrazeneca trafen sich am Abend online, um die anhaltenden Differenzen rund um die Lieferung eines Corona-Impfstoffs endlich auszuräumen. Oder es wenigstens ein weiteres Mal zu probieren. Es blieb dann beim Versuch. Ein konkretes Ergebnis brachte der Austausch nicht.
Gesprächsbedarf bestand reichlich. Die unterschiedlichen Interpretationen des Vertrages, den EU-Kommission und Astrazeneca geschlossen haben, sorgen seit Tagen für Verstimmung. Während Brüssel auf die Auslieferung von 80 Millionen Impfdosen im ersten Quartal pocht, sieht sich der Pharmakonzern außer Stande, zeitnah mehr als 31 Millionen zu garantieren – gestern war sogar nur noch von 20 Millionen die Rede. Im Recht wähnen sich dennoch beide Parteien.
In einem Interview mit mehreren europäischen Zeitungen führte Konzernchef Pascal Soriot die Verzögerungen auf den späten Abschluss des Vertrages zurück. Großbritannien sei drei Monate schneller gewesen. Deshalb habe es mehr Zeit gegeben, um Anfangsprobleme – konkret nannte er ein belgisches Werk – zu lösen und das Königreich vereinbarungsgemäß zu beliefern. Mit Brüssel habe man ohnehin keine festen Mengen vereinbart.
Das Dementi aus Brüssel folgte prompt. „Wir bestreiten viele Dinge in diesem Interview“, sagte ein EU-Vertreter. „Zum Beispiel die Idee, dass Produktionsstätten in Großbritannien für Lieferungen in das Vereinigte Königreich reserviert seien.“ Die Vereinbarung sehe vielmehr ein flexibles Vorgehen vor. „Wenn es also in einem Werk in Belgien ein Problem gibt, haben wir Kapazitäten auch in anderen Werken in Europa und Großbritannien.“
Schon an diesem Punkt erschien ein Treffen naheliegend, doch so einfach war das nicht. Gegen Mittag erklärte ein EU-Sprecher zunächst, Astrazeneca habe den Termin abgesagt und auf die vielen offenen Fragen verwiesen. Bereits zwei Treffen am Montag waren erfolglos verlaufen. Wenig später reagierte ein Konzernsprecher und betonte, man habe sich keineswegs zurückgezogen. Der Termin – den Astrazeneca aber zwischenzeitlich auf Freitag hatte verschieben wollen – fand also statt.
Während dieser organisatorische Hickhack schnell die Runde machte, weiß die Öffentlichkeit bisher nicht, was wirklich in dem Vertrag steht und wie verbindlich Astrazeneca Lieferungen garantiert. „Diese Transparenz ist notwendig“, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer (FDP), im RBB.
Am Abend teilte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakidis, die Astrazeneca Stunden zuvor an seine moralische und juristische Verantwortung erinnert hatte, mit, dass auch dieses Treffen keine Annäherung gebracht habe: „Wir bedauern, dass es noch immer keine Klarheit über den Lieferplan gibt.“ Eines merkte sie aber positiv an: Der Ton sei sehr konstruktiv gewesen.