Berlin – Für den Bundesverkehrsminister war es nach der stundenlangen ersten Vernehmung im Oktober schon der zweite Termin im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Maut. Bei der neuerlichen Befragung am Donnerstag präsentierte sich Andreas Scheuer (CSU) als offensiver Verteidiger. Auch hartes Nachfragen von Ausschussmitgliedern brachte ihn nicht aus der Ruhe. Als er im Saal von der Sonne geblendet wurde, und jemand die Jalousien schließen wollte, sagte er: „Sie können die Sonne gerne lassen, für mich geht die Sonne gerade auf.“
Der Minister war der letzte Zeuge, den der Untersuchungs-Ausschuss zur Pkw-Maut vernahm. Inhaltlich brachte die Befragung nichts Neues. Doch Scheuer nutzte die Bühne, um sich ein tadelloses Vorgehen zu bescheinigen. Er habe nach „bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt. Bei Amtsantritt im März 2018 habe er einen „klaren gesetzlichen, haushalterischen und politischen Umsetzungsauftrag“ für die Maut vorgefunden. Als Minister sei er nur für „einen Bruchteil“ der Historie seit dem schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2013 verantwortlich gewesen. Es habe sich nicht um die „CSU-Maut“ gehandelt, sondern um die Infrastrukturabgabe der Koalition aus CDU, CSU und SPD.
Erneut wies Scheuer Vorwürfe zurück, rechtliche Risiken nicht genug berücksichtigt zu haben – auch beim Abschluss der Verträge mit den Betreiberfirmen im Dezember 2018 noch vor einem anstehenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die Richter machten die Maut dann im Juni 2019 zunichte, weil sie Autofahrer aus dem Ausland benachteilige.
Scheuer sprach von einem „niederschmetternden Urteil“, von dem er „vollkommen überrascht“ gewesen sei. Zuvor, im Dezember 2018 habe er eine „Abwägungsentscheidung“ zu treffen gehabt, erläuterte Scheuer. Eine Option sei ein Vertragsabschluss über ein rechtlich und wirtschaftlich umfassend geprüftes Projekt gewesen, der dem Bund hohe dreistellige Millionenbeträge eingebracht hätte. Die andere Option hätte gelautet, ein „minimales“ rechtliches Restrisiko als Priorität zu behandeln und den Vertrag nicht zu schließen, aber Einnahmeausfälle für den Bund in Kauf zu nehmen. Er würde aus heutiger Sicht wieder so entscheiden.
Dass Manager der Betreiberfirmen ihm im Herbst 2018 angeboten hätten, mit dem Vertragsabschluss bis zum Urteil zu warten, bestritt Scheuer erneut. So ein Angebot habe es nach seiner Erinnerung nicht gegeben. Die Kündigung der Betreiberverträge gleich nach dem Urteil rechtfertigte er ebenfalls ausdrücklich. Dies sei richtig gewesen, um die Interessen des Bundes optimal zu wahren. Die ursprünglich vorgesehenen Betreiberfirmen fordern aber nun 560 Millionen Euro Schadenersatz.
Der Abschlussbericht des Ausschusses soll bis Juni fertig sein. Aus der eigenen Partei ist der Druck auf Scheuer bis dahin offenbar nicht besonders groß. Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) sagte, Scheuer könne nach Überzeugung der CSU Minister bleiben. Die Meinung, dass bei der Maut alles mit rechten Dingen zugegangen sei, habe Scheuer „ziemlich exklusiv“, sagte dagegen Linke-Obmann Jörg Cezanne. Vergaberecht sei gebrochen worden. FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic attestierte mangelnde Bereitschaft, Fehler einzugestehen. Scheuer weiche Fragen aus, schiebe Verantwortung ab und verweise auf Erinnerungslücken.