Impfgipfel schon am nächsten Montag

von Redaktion

Bundesregierung will mit Ländern und Pharmaindustrie Lösungen suchen – Spahn kündigt zehn harte Wochen an

München – In zehn Wochen kann viel passieren. Heute vor zehn Wochen warteten die Hersteller von Corona-Impfstoffen weltweit noch auf den Durchbruch, in den USA beantragten Biontech und Pfizer die allererste Zulassung. In Deutschland wurden über 23 000 Neuinfektionen gemeldet, aber mit dem ersehnten Vakzin sollte es, wie überall auf dem europäischen Festland, noch eine Weile dauern. Mittlerweile haben rund 1,7 Millionen Deutsche, über zwei Prozent aller Bundesbürger, zumindest die erste Spritze erhalten. „Impfstoff“ ist trotzdem ein Reizwort. Und Jens Spahn ahnt, dass das so bleiben wird: „Wir gehen noch durch mindestens zehn harte Wochen.“

So lange wird es nach Einschätzung des Bundesgesundheitsministers dauern, bis die Kapazitäten im Lande spürbar ausgeweitet sind und Menschen flächendeckend die ersehnte Spritze bekommen. Diese trübe Perspektive nahm Spahn gestern zum Anlass, via Twitter ein Treffen aller Ministerpräsidenten exklusiv zum Thema Impfen anzuregen. Einen Bund-Länder-Gipfel mit den Pharmaherstellern. Man wolle das weitere Vorgehen besprechen, „auch damit Europa seinen fairen Anteil erhält“. Am Nachmittag bestätigte ein Regierungssprecher, dass das am Montag sein wird.

Seine Idee leitete Spahn gestern mit den Worten „Daher mein Vorschlag“ ein. Unerwähnt blieb, dass er damit auf den Kurs anderer Politiker einschwenkte, vor allem aus der SPD. Zuletzt hatten sich Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, ihr Brandenburger Kollege Dietmar Woidke sowie Berlins Bürgermeister Michael Müller dafür ausgesprochen, auf oberster Ebene einen Ausweg aus der zunehmend desolaten Lage zu suchen.

Wie wichtig die Einbindung der Pharmaindustrie in die Kommunikation ist, zeigt der Disput zwischen der EU und Astrazeneca. Seit Tagen streiten beide Seiten über die Auslegung des Vertrages, der allein im ersten Quartal die Lieferung von 80 Millionen Impfdosen vorsieht. Diese Zahl wollte das Unternehmen drastisch reduzieren. Ein Krisentreffen am Mittwoch, das dritte in dieser Woche, brachte zunächst kein Ergebnis. Mittlerweile registriert die EU aber, dass die Gegenseite sich bewegt. Die FAZ berichtet, Konzernchef Pascal Soriot habe zugesagt, bereits im Februar mehr Dosen auszuliefern als angekündigt. Zwar keine 80 Millionen im Quartal, „aber deutlich mehr als 31“, hieß es aus Brüssel. Soriot erklärte sich zudem bereit, den Vertrag mit der EU zu veröffentlichen.

Noch immer ist nicht sicher, ob der Impfstoff über alle Altersgrenzen hinweg geeignet ist. Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut empfahl ihn gestern nur zwischen 18 und 64 Jahren. Bei älteren Personen sei die Wirksamkeit noch nicht belegt, da es zu wenig Probanden in dieser Altersgruppe gegeben habe.

Markus Söder meint Astrazeneca, wenn er moniert, die EU habe nicht nur „offenkundig zu wenig“ Vakzin bestellt, sondern „vielleicht sogar das falsche“. Im ZDF haderte der CSU-Chef am Mittwochabend schwer mit der Impfstrategie in Brüssel und Berlin. Er regte an, auch in Deutschland Unternehmen zu ermutigen, ihre Produktionsstätten auf die Herstellung von Impfstoffen umzurüsten. Andere Länder hätten es vorgemacht, „regionale Pharmakapazitäten komplett umzustellen“ und damit den Ausstoß zu erhöhen. „Da ist noch ein bisschen Fantasie möglich.“

Gute Nachricht: Biontech hat nun die Genehmigung, um mit der Produktion im deutschen Werk Marburg zu beginnen, laut „Bild“ ab Februar. Auch in der Hauptstadt soll mit dem privaten Unternehmen Berlin-Chemie eine eigene Impfstoffproduktion entstehen. Noch klingt das Projekt vage, aber in ein paar Wochen wird man auch hier klarer sehen. MARC BEYER

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