Berlin/München – Aus dem Munde des Bundesinnenministers ist das eine nur mäßig beruhigende Ansage. Nein, so erklärt Horst Seehofer, Deutschland „wird kein Gefängnis“. Seine Juristen im Ministerium seien der Auffassung, dass es für einen solchen Schritt verfassungsrechtlich „noch wesentlich höhere“ Hürden gebe. Mit diesen Sätzen räumt der CSU-Politiker die Debatte um Reiseverbote für Bundesbürger ab – vorerst zumindest.
„Es geht nicht um das Verbot von Reisen“, betont Seehofer in einem „Bild“-Interview. Wohl aber, so sagt er dann auch vor laufenden Kameras, soll die Einreise neu geregelt werden. Der Innenminister bestätigt damit offiziell die seit Mittwochabend kursierenden Pläne, an den Grenzen all jene abzuweisen, die aus Ländern mit hoher Verbreitung neuer Varianten des Coronavirus kommen. Im Umlaufverfahren sollen die Minister der Merkel-Regierung das heute absegnen.
Seehofer nennt („derzeit“) Großbritannien, Irland, , Südafrika, Brasilien und Portugal, das inzwischen für seine eigenen Bürger ein Ausreiseverbot erließ. Aus diesen Staaten solle die Einreise verboten werden. Derzeit werde geklärt, welche Ausnahmen zugelassen werden, deutsche Staatsbürger sicher und wohl auch Beschäftigte, die wichtige medizinische Güter transportieren. Seehofer betont, er wolle nur „enge Ausnahmen, nicht einen Schweizer Käse, wo die Ausnahmen die Grundregel übersteigen“.
Fünf Länder – das klingt moderat. In der Koalition weist man aber darauf hin, dass die Zahl schnell steigen und Nachbarstaaten wie Dänemark oder die Niederlande treffen könnte. Den Namen Österreich mag man noch nicht aussprechen – aber auch dort häuften sich seit Jahresbeginn Fälle der britischen Virus-Variante. Ähnliches droht mit Frankreich.
Gehen also bald die Schlagbäume runter rund um Deutschland? Seehofer mag vorerst nicht von geschlossenen Grenzen sprechen. An Flughäfen ist die Kontrolle einfach. Für den Landweg betont er den Einsatz der Schleierfahndung des Bundes. „Wenn das richtig gemacht wird, ist das genauso wirksam wie eine stationäre Kontrolle – allerdings ohne diese wahnsinnigen Verkehrsbehinderungen mit Staus von Passau bis Wien.“
Explizit koppelt sich der Bund damit von einer Lösung aller EU-Staaten ab. Das dauere zu lang. Auch andere EU-Staaten wie Belgien haben solche Regelungen erlassen. Die EU äußerte sich umgehend skeptisch. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson warnte vor überzogenen Reiseeinschränkungen, die die wirtschaftliche Erholung erschweren oder das Gesundheitssystem behindern könnten. Auch die EU-Kommission empfehle dringend, von allen nicht unbedingt nötigen Reisen abzusehen, sagte die Schwedin in Brüssel. Es brauche aber „einen ausgewogenen Ansatz“. Die EU selbst hatte vorgeschlagen, für Reisen aus Mutationsländern eine verpflichtende zweiwöchige Selbstisolation einzuführen. Auch zusätzliche Coronatests bei der Ankunft könnten erwogen werden. Derzeit verhandeln die EU-Staaten.
Die Bundesregierung hatte die Einreise nach Deutschland bereits Schritt für Schritt erschwert. Rund 160 Länder sind inzwischen als Corona-Risikogebiete eingestuft, für die eine Testpflicht spätestens 48 Stunden nach Einreise und eine zehntägige Quarantänepflicht gilt. Für fast 30 dieser Länder – darunter die Mutationsgebiete, das Nachbarland Tschechien und mit Spanien das beliebteste Urlaubsland der Deutschen – wurden die Regeln vergangene Woche verschärft. Schon bei der Einreise muss man den negativen Test vorlegen.
FDP-Chef Christian Lindner spricht sich explizit gegen Einreiseverbote aus. Er fürchtet unter anderem große Probleme für Langstreckenpendler. „Stattdessen brauchen wir eine rigorose Durchsetzung der Testpflicht. Die gibt es heute schon, sie wird aber nicht ausreichend kontrolliert“, sagte Lindner dem „RND“. Seehofer solle die Bundespolizei an den Flughäfen verstärken, statt pauschale Verbote zu verhängen.
Mit dem geplanten Einreiseverbot hat Seehofer indes eine Mehrheit der Deutschen auf seiner Seite. Nach Auswertung einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov würden es 68 Prozent der Deutschen begrüßen, den Flugverkehr nach Deutschland im Kampf gegen die Corona-Pandemie auf nahezu null zu reduzieren.