Hohe Erwartungen an Impfgipfel

von Redaktion

VON MARC BEYER

München – Vor dem Impfgipfel über die künftige Strategie und die bisherigen Versäumnisse wird die Öffentlichkeit am Wochenende auffallend großzügig mit Zahlen gefüttert: Liefermengen der verschiedenen Hersteller (3,5 Millionen Dosen) sowie bisher verabreichte Spritzen (2,2 Millionen), detaillierte Angaben zu außerplanmäßigen Lieferungen der zuletzt säumigen Anbieter Biontech und Astrazeneca (1,747 Millionen Dosen) und in der Summe fünf Millionen Dosen bis Monatsende. Bayern, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit, erhält seit Ende 2020 und bis Ende Februar knapp 1,05 Millionen Dosen Biontech-Impfstoff. Von Moderna kommen 52 800 dazu.

Das Ministerium, zuletzt schwer unter Beschuss, geht in die Offensive. Es bleibt ihm gar nichts anderes übrig angesichts der Unzufriedenheit im Land mit Berlin und Brüssel. Ressortchef Jens Spahn (CDU) räumt am Samstag ein, er verstehe „die Ungeduld gut, sehr gut“. Die Erwartungen an die Berliner Online-Runde mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), verschiedenen Bundesministern, den Ministerpräsidenten, Impfstoffherstellern und Vertretern der EU-Kommission sind entsprechend hoch.

Nicht nur die Bevölkerung fordert konkrete Antworten zu Zeitplänen, Prioritäten einzelner Bevölkerungsgruppen und der Verfügbarkeit von Impfstoffen. Auch aus der Politik kommen unverblümte Ansagen. Am deutlichsten wird Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), derzeitiger Vorsitzender der Ministerpräsidenten-Konferenz. In einem Brief an die Bundeskanzlerin fordert er einen „nationalen Impfplan“, auf dessen Grundlage die Bundesländer verlässlich Impftermine vergeben könnten. Man müsse alle verfügbaren Kapazitäten am Hochtechnologiestandort Deutschland und in der Europäischen Union mobilisieren, um die Impfstoffproduktion zu unterstützen.

Noch ist man weit entfernt von solcher Verlässlichkeit. Am Samstag hatte das Kanzleramt informiert, dass mit Moderna auch der dritte Anbieter die zugesagte Menge reduziert habe. Die Amerikaner liefern das kleinste Kontingent, dennoch regte sich sofort Unmut. „Wie soll man da Impfungen planen?“, fragte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Das Gesundheitsministerium beruhigte später, durch die Mehrleistungen der zwei anderen würden die Defizite „mehr als ausgeglichen“.

Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz, ebenfalls SPD, schlägt vor dem Impfgipfel kritische Töne an. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, das heute erscheint, sagt er: Die Zusage, dass bis September alle, die wollten, geimpft seien, hätten „Bundeskanzlerin und Gesundheitsminister“ gegeben. Es brauche jetzt klare Berechnungen, wie viele Menschen in welcher Zeit geimpft werden könnten. „Es reicht als Planung nicht, dafür neben den Impfzentren irgendwann die Hausärzte einbeziehen zu wollen“, sagt Scholz.

Aber auch Unionspolitiker formulieren Erwartungen an den Impfgipfel. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz, sagt: Man brauche endlich „Verlässlichkeit bei den Lieferungen und eine längerfristige Planbarkeit“. Ansonsten riskiere man, „das Vertrauen der Menschen in die Impfung zu gefährden“.

Holetschek teilt auch mit, dass es bei der bisherigen Impfreihenfolge bleiben soll, obwohl der Impfstoff von Astrazeneca in Deutschland vorerst nur an 18- bis 64-Jährige verimpft werden soll. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hatte das Vakzin am Freitag zwar ohne Altersbegrenzung empfohlen. Doch die Ständige Impfkommission in Deutschland hält dafür die Datenlage aus den Zulassungsstudien noch nicht für ausreichend.

Im Streit mit Astrazeneca gab es am Sonntag auch eine gute Nachricht. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte nach einem Gespräch mit mehreren Impfstoffherstellern, Astrazeneca werde doch 40 Millionen statt nur 31 Millionen Impfdosen im ersten Quartal an die EU liefern. Das ist dennoch nur die Hälfte der ursprünglich in Aussicht gestellten 80 Millionen Dosen.

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