Comeback der Militärdiktatur

von Redaktion

VON CAROLA FRENTZEN

Naypyidaw – Myanmar erlebt ein dunkles Déjà-vu. Gerade erst begannen die Erinnerungen an ein halbes Jahrhundert eisenharter Militärdiktatur zu verblassen, da hat sich die Armee im früheren Birma zurück an die Macht geputscht. Bei den Anhängern von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi herrscht Entsetzen. Denn auch die Festnahmen der früheren Freiheitsikone und vieler Parteikollegen zeigen, dass die Armee die Uhren zurückdrehen will. Die 75-Jährige stand insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest, damals wegen ihres Widerstandskampfes. Wiederholt sich die Geschichte oder kann die im eigenen Land extrem beliebte Suu Kyi das unvermeidlich Scheinende noch abwenden?

Ihre Kämpfernatur hat die so zierlich wirkende Politikerin in all den Höhen und Tiefen ihrer langen Karriere nicht verloren. Widerstand will sie auch jetzt leisten. „Die Öffentlichkeit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärputsch voll und ganz zu widersetzen und sich entschieden dagegen zu wehren“, schrieb die bisherige De-facto-Regierungschefin Stunden nach ihrer Festsetzung und der Verhängung eines einjährigen Ausnahmezustands in einer Erklärung.

Ein großer Teil des Volkes stellt sich hinter sie: In sozialen Netzwerken hagelt es nicht nur Unterstützungsbekundungen, sondern geradezu Liebeserklärungen für die „Lady“, wie die Frau mit dem aufrechten Gang und dem Oxford-Englisch auch genannt wird. Auf Twitter posteten unzählige Anhänger Fotos von ihr, unter dem Motto „Wir stehen hinter Aung San Suu Kyi“. Hashtags wie „Rettet Myanmar“, „Wir brauchen Demokratie“ und „Helft uns“ verbreiteten sich rasant.

Ein Putsch im Jahr 2021 ist sicht- und kommentierbar – ein krasser Unterschied zum Jahr 1989, als Suu Kyi zum ersten Mal in Hausarrest kam. Wie die neue Führung auf mögliche Proteste reagieren würde – zurückhaltend oder brutal niederprügelnd – bleibt abzuwarten.

Hintergrund des jüngsten Putsches sind Vorwürfe des Wahlbetrugs bei der Parlamentswahl im November nach dem klaren Sieg Suu Kyis. Beweise dafür gibt es bislang nicht. Der Vize-Direktor von Human Rights Watch in Asien, Phil Robertson, verglich gegenüber der BBC die Situation mit der Weigerung von Ex-Präsident Donald Trump, das Wahlergebnis in den USA anzuerkennen. „Ganz offensichtlich hat Aung San Suu Kyi einen massiven Wahlsieg errungen“, sagte er. Der Putsch sei „unerklärlich“.

Einst stand Suu Kyis Name auf einer Stufe mit Mahatma Gandhi, mit Nelson Mandela, mit Martin Luther King. Suu Kyi galt als Idol einer ganzen Generation. Aber auch wenn am Montag Regierungen in aller Welt ihre unverzügliche Freilassung forderten, hat sie doch ihr Image als Freiheitsikone eingebüßt. Grund ist vor allem ihre Handhabung der Rohingya-Krise. Die muslimische Minderheit wird in Myanmar staatlich auf das Brutalste diskriminiert, mehr als eine Million Rohingya sind vor den Übergriffen des Militärs nach Bangladesch geflohen. Suu Kyi hat lange dazu geschwiegen. In einem Völkermord-Verfahren in Den Haag sagte Suu Kyi 2019 schließlich, von Genozid könne keine Rede sein, die Armee verteidige nur das Land gegen Angriffe bewaffneter Rebellen. Kein Wort des Mitgefühls. International steht sie deshalb am Pranger.

Für den Vielvölkerstaat sei die Rückkehr des Militärs eine Katastrophe, denn dies bedeute, dass der Völkermord an den Rohingya anhalten werde, kommentierte die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ (GfbV). Doch es sei eine Katastrophe mit Ansage: „Die frühere Demokratie-Ikone Aung San Suu Kyi hatte vergeblich versucht, sich den Militärs anzubiedern.“ Die Politikerin sei „ein willfähriges Werkzeug der Militärs und ihrer Genozidstrategie“ gewesen. Dieser Meinung sind viele enttäuschte Demokraten, die große Hoffnungen auf sie gesetzt hatten.

Ihr politischer Aufstieg kam mit einem Preis – denn die Militärs haben laut Verfassung weiter wichtige Regierungsposten inne. Ein Viertel der Sitze im Parlament ist für die Armee reserviert. Die so weich wirkende Suu Kyi musste mit knallharten Generälen zusammenarbeiten, um sich überhaupt an der Macht zu halten. Jetzt hat sie verloren.

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