Russische Medien empört

von Redaktion

Ungewöhnlich harsche Kritik am harten Vorgehen der Behörden

Moskau – In ungewohnter Deutlichkeit haben russische Medien und Aktivisten das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte kritisiert, nachdem im Zusammenhang mit den Großdemonstrationen gegen Kreml-Chef Wladimir Putin auch ein Journalist festgenommen worden war. Die Festnahme des Chefredakteurs der Nachrichtenplattform „Mediasona“, Sergej Smirnow, sei ein „Einschüchterungsversuch“ gegenüber allen Journalisten, schrieb die Zeitung „Kommersant“.

Ein Gericht verurteilte den „Mediasona“-Chefredakteur Smirnow zu 25 Tagen Haft. Er hatte eine Twitter-Botschaft weiterverbreitet, die neben satirischer Bemerkungen auch einen Aufruf zur Teilnahme an den Protesten für den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny beinhaltete.

Die große Zeitung „Kommersant“ forderte Smirnows Freilassung und verurteilte das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Oppositionelle insgesamt. „Das Problem beschränkt sich nicht auf die Presse“, schrieb die Zeitung, die einem Putin-Vertrauten gehört. „In den vergangenen Wochen wurden wir Zeugen eines extrem harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten.“ Massenfestnahmen dürften „nicht zur Norm in unserem Land werden“.

Die Wirtschaftszeitung „RBC“ schrieb, ihre Reporter hätten während der Proteste „Festnahmen und Gewaltanwendung“ gegen Medienvertreter beobachtet. Die Justizbehörden müssten die Festnahme Smirnows und anderer Journalisten öffentlich erklären, forderte das Blatt.

Der Umgang mit Regierungskritikern überschattet auch den mehrtägigen Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Borrell, der im Laufe des Donnerstags in Moskau eintreffen sollte, ist der erste EU-Außenbeauftragte seit 2017, der Russland besucht. Schon im Vorfeld hatte der Spanier angekündigt, dem Kreml während der bis Samstag dauernden Reise „klare Botschaften“ zu überbringen. Borrells Besuch sei ein „heikler diplomatischer Balanceakt“, sagte Borrells Sprecher Peter Stano am Donnerstag.

Im Zusammenhang mit den Demonstrationen am vergangenen Sonntag sowie am Wochenende zuvor waren nach Angaben der Organisation OWD-Info mehr als 10 000 Menschen festgenommen worden.

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