München – Tradition will auch in schwierigen Zeiten gepflegt werden. Vieles, was das Leben im Allgemeinen und den Politischen Aschermittwoch im Besonderen all die Jahre schön und reizvoll gemacht hat, ist zwar gerade nicht möglich, aber es muss ja irgendwie weitergehen. Die Ankündigungen für den 17. Februar sind längst raus. Sie klingen halt diesmal ein bisschen anders.
Es geht jetzt um Hygienekonzepte und Schnelltests für die Medien, PCR und FFP2, alles etwas gewöhnungsbedürftig. Distanz-Gepolter ist eine Disziplin, die für alle neu sein wird. Und natürlich ist das ein Widerspruch in sich: ein Format, das von Nähe, Interaktion und bierseliger Gemütlichkeit geprägt ist, in Zeiten strenger Abstandsregeln virtuell mit Leben zu erfüllen.
Die Leute werden an den Bildschirmen sehr genau hinhören, was da an Pointen gesetzt und ob dem politischen Gegner auch sauber eingeschenkt wird. Wahrscheinlich werden es sogar noch mehr sein als sonst. Die, die sich in normalen Zeiten auf Bierbänken drängen, sind ja jetzt auch alle daheim.
Der Aufwand ist enorm. Das lässt sich zum Beispiel am Programm der CSU ablesen, die in Passau nicht nur ihre eigene Prominenz auffährt, sondern noch ein bisschen mehr. In doppelter Hinsicht steht in der Dreiländerhalle eine Premiere an. Der erste virtuelle Aschermittwoch ist auch der allererste in 69 Jahren, bei dem mit Armin Laschet ein CDU-Chef zugeschaltet wird. Das hat aber weniger mit Corona zu tun als mit den Entscheidungen, die dieses Jahr anstehen.
Für Olaf Scholz geht der Aschermittwoch schon am Faschingsdienstag los. Da steht ein digitaler Presseabend an. Im echten Leben können solche Termine sehr ergiebig sein, neben Bier fließt dann so manche Information, aber auch das dürfte dieses Jahr anders werden. Die SPD hat wieder den Wolferstetter Keller in Vilshofen angemietet. Sie spart sich eine kleinere Summe für den Ordnungsdienst, aber die Ausgaben sind trotzdem so hoch wie sonst. Der Ersparnis beim Personal stehen Investitionen in Corona-Vorkehrungen und vor allem Studiotechnik gegenüber. Für die Interaktion sind die sozialen Medien wichtiger denn je.
Scholz, der Kanzlerkandidat, wird also nach München fliegen und sich nach Niederbayern fahren lassen. Dort wird er, wie Markus Söder in Passau, in einer fast menschenleeren Halle eine Rede halten, die in der Ferne stimmungsvoll und schmissig rüberkommen soll. Es hat schon leichtere Aufgaben gegeben. Und selten so skurrile.
Ein bisschen erinnert das Ganze an die Bundesliga, die atmosphärisch gerade kaum von der Bezirksklasse zu unterscheiden ist. Aber zur Wahrheit gehört eben auch: Die Leute schauen trotzdem gerne hin. Besser als nichts ist es allemal, so ist das auch mit dem Aschermittwoch. Drauf zu verzichten, ist ohnehin keine Alternative, nicht nur weil dieses Jahr wichtige Wahlen anstehen. Man gibt eine solche Institution nicht einfach auf, nur weil die Zeiten gerade holprig sind.
Alle sind sie da. Hubert Aiwanger spricht in Deggendorf zu den Freien Wählern, die AfD hofft in Greding auf die Erlaubnis für bis zu 100 Gäste, Grünen-Chefin Annalena Baerbock (Muffathalle) und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner (Werksviertel) sind in München. Die Landeshauptstadt ist zwar nicht Niederbayern (das gilt auch für Greding), aber ein angemessenerer Ort als ein Büro in Berlin. Es geht hier immerhin um Tradition. Die verpflichtet, und wenn es nur zum Durchhalten ist. Bis nächstes Jahr wieder das Bier fließt und Pointen durch die dunstigen Hallen rauschen.