Corona-Ärger mit Österreich

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – In Österreich haben sie ein niedliches Wort für einen gar nicht so niedlichen Zustand gefunden. Ein „Glassturz“ über Tirol, davon höre man munkeln, schreibt die Tageszeitung „Standard“. „Glassturz“, wie eine gläserne Käseglocke, die man zum Schutz über das Bundesland stülpt – eine sehr sanfte Umschreibung. Eigentlich geht es um ein Radikal-Konzept: Wenn sich die Corona-Mutationen ausbreiten, könnte Tirol abgeriegelt werden.

Die Entscheidung der Bundesregierung in Wien über Tirol stand Sonntagabend aus. Der Protest vor Ort ist allerdings groß. „Das gibt die Datenlage nicht her“, befand Landeshauptmann Günther Platter, die Zahl der Neuinfektionen sei rückläufig. „Jetzt ist der Punkt gekommen, wo es eindeutig reicht“, schäumt sein ÖVP-Parteifreund Christoph Walser, der Präsident der Wirtschaftskammer. „Was jetzt passiert, zielt wieder klar auf Tirol ab. Und das lassen wir uns nimmer gefallen.“ Er droht mit einem Aufstand gegen Wien.

Das Problem in Tirol ist eine südafrikanische Virusmutation, Kennzahl B 1351. Laut ORF wurden bis Sonntag 295 Fälle entdeckt, allerdings zumeist in der Vergangenheit liegend. B 1351 gilt als aggressiver, potenziell tödlicher als die bisher verbreiteten Corona-Viren. Im Bezirk Schwaz liegt der Schwerpunkt. Dort haben sich bisher 4000 Personen für einen Antigen-Massentest angemeldet.

Ob „Glassturz“ oder nicht – Österreichs Nachbar geht das alles noch nicht entschlossen genug. Vor allem wächst in Bayern Unverständnis, dass Österreich heute Läden und Museen wieder öffnet. CSU-Generalsekretär Markus Blume verlangte ultimativ, das einzufangen. „Entweder zieht Österreich selbst die Konsequenzen und verzichtet auf Lockerungen, oder wir müssen die Konsequenzen ziehen.“ Blume spricht offen von Grenzschließungen.

Zunächst gibt es eine Vorstufe davon. Beiderseits werden die Grenzkontrollen ab Montagmorgen verschärft. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann warnt gegenüber unserer Zeitung, man müsse „sehr genau die Einhaltung der strengen Corona-Einreiseregeln überwachen, vor allem an den Grenzen zu Tschechien und Österreich sowie auch an den Flughäfen“. Er habe verstärkte Kontrollen durch Bayerns Grenzpolizei im Rahmen der Schleierfahndung angeordnet und das mit dem Bund abgestimmt. Die Grenzpolizei werde durch Einheiten der Bereitschaftspolizei unterstützt. „Die Corona-Lage ist immer noch sehr brenzlig, gerade mit Blick auf die hochansteckenden Corona-Mutationen“, sagt Herrmann.

Gleichzeitig kündigt Österreichs Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nach einem Telefonat mit seinem Berliner Kollegen Horst Seehofer „massiv verstärkte“ Grenzkontrollen an, nicht nur die bisherigen Stichproben. „Wir ziehen das Netz der Kontrollen an den Grenzen jetzt deutlich dichter und verschärfen damit den Kontrolldruck, um die Einhaltung der Covid-Maßnahmen zu überwachen“, sagte Nehammer. „Es gibt nur wenige Ausnahmen von Reisen, die wirklich unbedingt notwendig sind.“

Hilft das, um die Mutation zu stoppen? Pendler werden weiterhin durchgelassen. Zumindest gelten die Kontrollen als effektiv, um Einkaufstouristen und Skifahrer abzuschrecken. Formal gelten ja Test- und Quarantänepflichten in Österreich. Die Einreisenden müssen sich vorab registrieren, einen negativen Coronatest vorlegen und nach der Einreise eine zehntägige Quarantäne antreten.

Durch bayerische Regeln sind Spritztouren sogar explizit verboten. Minister Herrmann erinnert an die Infektionsschutzverordnung des Freistaats. Und droht an: „Wie auch die österreichische Polizei wird die Bayerische Polizei und die Bundespolizei mit ihren Kontrollen solche Fahrten zu touristischen Zwecken oder zum Einkaufen unterbinden.“

Artikel 6 von 11