Bayern: Grenzschließung zu Tirol ist kein Tabu

von Redaktion

Wien gibt eine Reisewarnung für eigenes Bundesland aus – Söder kritisiert Lockerungs-Politik

München – Wo war eigentlich Sebastian Kurz? Österreichs Kanzler machte sich am Wochenende auffällig rar und schickte seinen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ins Gefecht mit Tirol. Bis gestern Morgen stritt man um die Frage, wie mit der Corona-Lage in dem Bundesland umzugehen sei. Manche unkten, Kurz habe den Zoff mit Tirols Regierungschef Günther Platter, einem ÖVP-Parteifreund, gescheut. Die SPÖ warf ihm gar „ohnmächtig anmutendes Zusehen“ vor.

Der Streit schallte weit über die Grenzen hinaus. Gestern schaltete sich Kurz dann doch ein. Für Tirol, wo rund 300 Infektionen mit der hochansteckenden Corona-Variante aus Südafrika registriert wurden, gilt nun eine Reisewarnung. Es sei „alles zu tun, um zu verhindern, dass sich diese Mutationen immer weiter ausbreiten“, sagte der Kanzler.

Bis zuletzt hatten sich Tirols Politiker gegen strengere Maßnahmen gewehrt und auf die rückläufigen Fallzahlen verwiesen. Platter meint zudem, sein Land stehe nur deshalb im Fokus, weil dort besonders eifrig sequenziert werde, was das Gesundheitsministerium bestreitet. Um Schlimmeres abzuwenden, legte die Landesregierung gestern noch eigene Maßnahmen vor: Seilbahnfahrten gibt’s nur mit negativem Test, zudem sind Massentests in Mutationsgebieten geplant.

Die Reisewarnung ist nur ein halbscharfes Schwert: mehr Signal als Durchgriff. Tirol wird nicht isoliert. Dafür appelliert Wien, unnötige Reisen dorthin zu unterlassen. Wer von Tirol in ein anderes Bundesland fährt, soll sich testen lassen – ebenso Urlauber, die in den letzten zwei Wochen dort waren.

Die Lage in dem beliebten Urlaubsland hält Wien nicht davon ab, den Lockdown zu lockern. Geschäfte und Museen dürfen seit gestern wieder öffnen, mit verschärften Regeln: In Geschäfte darf nur ein Kunde pro 20 Quadratmeter, für den Friseurbesuch ist ein negativer Test nötig. Auch Schulen öffnen partiell wieder. In vielen Apotheken sind außerdem kostenlose Antigen-Schnelltests verfügbar.

CSU-Chef Markus Söder kritisiert die Nachbarn. Er halte es für „diskussionswürdig, dass Österreich in dieser unsicheren Situation weitgehende Öffnungen erlaubt, obwohl die Inzidenz dort deutlich höher als in Bayern ist“, sagte er unserer Zeitung. „Das kann innerhalb weniger Wochen zu einem neuen Lockdown führen und wäre genau das, was wir alle nicht wollen: ein Stop-and-go.“ Söder sagte, er habe große Sorgen wegen der Virus-Mutationen. Laut Experten sei die südafrikanische Variante noch gefährlicher als die britische. „Diese Mutation würde uns wieder weit zurückwerfen.“

Inzwischen werden auf beiden Seiten verschärfte Grenzkontrollen durchgeführt. Söder betonte, touristische oder Einkaufstouren nach Österreich müssten unterbleiben. „Mit Grenzkontrollen und Schleierfahndung wird das dichter kontrolliert. Sollte die Gefahr wachsen, dürfen auch Grenzschließungen zu Tirol kein Tabu sein.“  mmä/cd

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