München – Im falschen Kontext kann „Privilegien“ ein unschönes Wort sein. In Deutschland kursiert es seit Wochen im Zusammenhang mit der Frage, ob Menschen nach einer Corona-Impfung anders behandelt werden sollten als solche, die auf ihre Spritze(n) noch warten. Dass es gar nicht um eine Extrawurst geht, sondern nur um die Rückkehr zu Grundrechten, drohte im Strudel der Debatte anfangs unterzugehen.
„Diskriminierung“ klingt nicht besser. Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis hat das Wort in der Diskussion um einen europäischen Impfpass benutzt. Es geht um das Gleiche wie beim Privileg, nur aus der anderen Perspektive. Was bleibt dem versagt, der noch keine Spritze bekommen hat? Rumäniens Regierung hat darauf eine Antwort gefunden. Eine, die im Widerspruch zum Vorbehalt des eigenen Präsidenten steht. Seit Mitte Januar sind Einreisende, die eine Corona-Impfung vorweisen können, von der Pflicht befreit, sich zunächst in Quarantäne zu begeben.
Die Frage, welche persönlichen Freiheiten so ein Piks mit sich bringt, wird lauter gestellt, je mehr die nationalen Impfkampagnen vorankommen. Angesichts des schleppenden Verlaufs ist es in den meisten europäischen Ländern zwar noch eine theoretische Debatte, ob Reisen und Restaurantbesuche mit dem entsprechenden Nachweis schneller möglich sind. In Deutschland zum Beispiel gelten bis auf Weiteres gleiche Regeln für alle. Wichtigste Begründung: Noch ist nicht gesichert, dass eine Impfung auch die Übertragung auf andere unterbindet.
Die ersten EU-Staaten sind aber bereits ausgeschert und haben Fakten geschaffen. Noch schneller als Rumänien war Polen. Bereits seit Ende Dezember, als das Biontech-Vakzin gerade erst zugelassen war, haben Geimpfte Vorteile. Die Quarantänepflicht entfällt für sie ebenso wie Beschränkungen bei privaten Treffen, wo sie das Kontingent der erlaubten Kontaktpersonen nicht mehr belasten. Das dritte EU-Land mit Sonderregeln ist seit 1. Februar Estland.
Die Europäische Union ist bei diesem Thema ein Kontinent der zwei Geschwindigkeiten. Einzelne preschen vor, Brüssel hingegen brütet noch über dem großen Ganzen. Einig ist man sich darin, dass es ein gemeinsames Impfzertifikat geben soll. Aber der konkrete Nutzen dieses Dokuments ist noch nicht definiert. Bisher geht es lediglich um medizinische Aspekte wie etwa die Frage, ob die zwei Spritzen auch in unterschiedlichen Ländern erfolgen können.
Nicht jeder mag so lange warten. In den südlichen EU-Ländern, die besonders vom Tourismus abhängig sind, verfolgt man den Prozess mit wachsender Ungeduld. Geimpfte, die wieder uneingeschränkt mobil sind, sind potenzielle Urlaubsgäste. Es war dann auch der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der Mitte Januar als Erster für einen EU-weiten Impfpass mit entsprechenden Reisefreiheiten eintrat.
Diese Woche besiegelte Athen ein Abkommen mit Israel, das die ungehinderte Einreise im Falle einer Immunisierung vorsieht. Man müsse „jenen das Reisen erleichtern, die einen Impfnachweis vorlegen können“, beschwor Mitsotakis. In Kraft treten solle es, „sobald ein signifikanter Teil der Bevölkerung geimpft wurde“. Das kann schnell gehen. Israel ist weltweit Spitzenreiter bei Corona-Impfungen. Eine ähnliche Vereinbarung wollen die Griechen möglichst bald mit Großbritannien schließen.
Weiter nördlich ist man schon froh, wenn die ganz normalen Dienstreisen wieder möglich sind. Dänemark plant einen digitalen Impfausweis, er sei „wie ein zweiter Pass, wenn man so will“, sagt der geschäftsführende Finanzminister Morten Bødskov. Schließlich gebe es in der heimischen Wirtschaft Bereiche, „die vorankommen müssen“, das geht nur, wenn man Grenzen überquert. Mittelfristig sollen aber auch andere Teile der Gesellschaft das Zertifikat nutzen. Auch privat reisen Dänen schließlich gerne. mit dpa