Die erste virtuelle Siko

Es fehlt an der gemeinsamen Sprache

von Redaktion

MARCUS MÄCKLER

Die Münchner Sicherheitskonferenz hatte in der Vergangenheit stets einen doppelten Charme: Sie war Weltbühne und Hinterzimmer zugleich. Dass die Möglichkeit des direkten, diskreten und gerade deshalb oft so produktiven Austauschs von Spitzenpolitikern diesmal coronabedingt wegfiel, ließ ein wenig am Sinn der Veranstaltung zweifeln. Dabei war die auf eine Videokonferenz abgespeckte „Special Edition“ auf ganz andere Weise bedeutsam: als Standortbestimmung des Westens.

Das Fazit ist, zumindest in Teilen, schmerzhaft: Nach vier Jahren Trump haben sich die Partner auseinanderentwickelt. Vor allem auf deutscher Seite fehlt es an Vertrauen, Gestaltungsideen und an einer gemeinsamen Sprache, die es erlaubt, die zahlreichen Probleme offen und konstruktiv anzusprechen. Dass Joe Biden Kern-Konflikte wie den um Nord Stream 2 oder um die Verteidigungsausgaben nicht problematisierte, war für den Moment richtig. Langfristig aber wird Verdrängung nicht funktionieren. Es braucht auf beiden Seiten Ehrlichkeit und den radikalen Willen, den angeschlagenen Westen zu erneuern.

Donald Trumps Abwahl hat dem alten Bündnis eine zweite Chance eröffnet, aber das Zeitfenster ist klein. Deshalb war die virtuelle Siko kurz nach Bidens Amtseinführung so wichtig – es gibt jetzt keine Ausreden mehr: Biden hat die Hand ausgestreckt, Europa muss sich entscheiden, ob es sie annimmt und seinen Willen mit Taten belegen. Es wäre uns sehr zu empfehlen. Denn ohne einander, da hat der US-Präsident recht, wird es schwierig, China und dem Autoritarismus, den es verkörpert, Paroli zu bieten.

Marcus.Maeckler@ovb.net

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