EU ermittelt gegen eigene Grenzschutzagentur

von Redaktion

Kommissarin: Frontex-Chef muss sein Haus in Ordnung bringen – Vorwurf: Illegale Zurückweisungen in der Ägäis

Brüssel – Die Aufarbeitung der Pushback-Vorwürfe gegen die EU-Grenzschutztruppe Frontex geht EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zufolge nicht schnell genug voran. „Ich bin ein wenig besorgt, warum es so lange dauert, das klarzustellen“, sagte die Schwedin in Brüssel. „Das ist die Verantwortung des Exekutivdirektors. Er muss zeigen, dass er sein Haus in Ordnung hat.“ Klingt nicht nach einem Vertrauensvotum.

Frontex steht seit Monaten heftig in der Kritik, weil griechische Grenzschützer Medienberichten zufolge mehrfach Boote mit Migranten illegal zurück in Richtung Türkei getrieben haben sollen. Frontex-Beamte sollen dabei teils in der Nähe gewesen sein und dies nicht verhindert haben.

Mehrere EU-Stellen untersuchen die Vorwürfe, seit Dienstag auch das Europäische Parlament. Die Arbeitsgruppe des Innenausschusses besteht aus je zwei Abgeordneten der sieben Fraktionen und soll in vier Monaten einen Bericht vorliegen. Das Mandat sieht vor, „alle Aspekte des Funktionierens von Frontex zu kontrollieren“.

Frontex-Chef Fabrice Leggeri wehrt sich gegen die Kritik, Fehlverhalten seiner Behörde könne er nicht erkennen. „Als Grenzschutzbehörde sind wir verpflichtet, die Grund- und Menschenrechte zu achten. Und das tun wir.“

Der Franzose betont, nicht alle Menschen, die versuchten, die EU-Außengrenzen „illegal mit einem Boot zu überschreiten“, seien in Seenot. Auf die Frage, warum Boote mit Migranten zuletzt immer wieder umdrehten und an die türkische Küste zurückkehrten, sobald sie auf die griechische Küstenwache trafen, sagte er, dass viele Migranten aus Afghanistan, Pakistan und Iran kämen. „Diese Menschen kehren zurück, weil sie wissen, dass sie keinen Anspruch auf internationalen Schutz haben.“

Wenn der Verdacht des Menschenhandels bestehe, könne Griechenland die Boote festsetzen oder sie anweisen, ihren Kurs zu ändern, sofern sie nicht in Seenot seien, erläutert Leggeri. Ob ein Boot in Seenot sei, müssten allerdings griechische und türkische Kapitäne beurteilen. Frontex-Schiffe stünden stets unter dem Kommando des Landes, das den Einsatz führe. Wenn ein Boot allerdings angehalten werde, müssten Asylanträge angehört werden, räumt er ein. Frontex müsse sich dabei auf Berichte der Kapitäne verlassen. Zugleich stellt Leggeri in Aussicht, dass Ende März oder Anfang April die ersten Menschenrechtsbeobachter eingestellt werden. Eigentlich sollten bereits 40 Stellen besetzt sein. Die Umsetzung der Verordnung habe „viel Arbeit“ benötigt, erklärt er.

Auch Griechenlands Migrationsminister Notis Mitarachi weist jede Kritik am eigenen Vorgehen zurück. Untersuchungen von Frontex und der griechischen Küstenwache hätten die Vorwürfe nicht bestätigt, sagte Mitarachi. Die Überwachung der griechischen Grenzen geschehe im Einklang mit dem „Völkerrecht und der europäischen Werte“, betonte der Minister weiter. Er macht Ankara für die Probleme verantwortlich. Die Berichte seien „Teil einer größeren Fake-News-Strategie, die von der Türkei orchestriert wird“, so Mitarachi.

Ganz anders sehen das Menschenrechtsorganisationen. Die in Berlin ansässige Organisation „Mare Liberum“ erklärt, zwischen März und Dezember vergangenen Jahres 321 sogenannter Pushback-Vorfälle dokumentiert zu haben. Demnach wurden mehr als 9700 Migranten „gewaltsam“ in die Türkei zurückgeschickt. Die Menschen seien so ihres Rechts auf Asyl beraubt worden, heißt es.

Ähnliche Vorwürfe erhebt auch die griechische Organisation Legal Centre Lesvos. Sie gab an, in Kontakt mit 50 Migranten gewesen zu sein, die von griechischen Grenzschützern zurück in die Türkei gezwungen worden seien.  aw

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