Im Bann des Woelki-Desasters

von Redaktion

VON CHRISTOPH DRIESSEN

Bonn – Georg Bätzing wählt durchaus heftige Worte. Das Krisenmanagement des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki sei ein „Desaster“, sagt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz gestern zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung. Er habe Woelki empfohlen, das unter Verschluss gehaltene Missbrauchsgutachten umgehend zu veröffentlichen. Gleichzeitig nehme er Woelki aber ab, dass er Aufklärung wolle.

Zuvor war die Forderung laut geworden, dass sich Bätzing stärker von Woelki distanzieren müsse, um noch größeren Schaden von der Kirche abzuwenden. So sagte der Kirchenrechtler Thomas Schüller: „Man kann Bätzing mehr Mut zur Kritik an dem Kölner Kardinal wünschen. Falscher bischöflicher Korpsgeist hilft auf Dauer nicht.“

Woelki hält seit fast einem Jahr ein Gutachten zum Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester zurück. Er führt dafür rechtliche Bedenken an. Dieses Verhalten hat im größten deutschen Bistum eine beispiellose Vertrauenskrise ausgelöst. Wie sehr die „Kölner Wirren“ längst das Bild der gesamten Kirche bestimmen, wurde bei Bätzings mehr als einstündiger Pressekonferenz offensichtlich: Die große Mehrheit der Fragen bezog sich auf den Woelki-Komplex.

Scharfe Kritik kam auch von NRW-Familienminister Joachim Stamp. Woelkis Aufklärungsarbeit sei „nicht mehr erkennbar“, sagte der FDP-Politiker in einem Interview mit der „Welt“. „Es darf nicht der öffentliche Eindruck entstehen, dass es jetzt mehr um Schadensbegrenzung der Amtskirche geht als um die Perspektive der Opfer.“ Woelki solle sich einmal prüfen, ob er noch glaubwürdig sei, denn sein Amt sei mit einem sehr hohen moralischen Anspruch verbunden. „Das gilt auch für weitere Amtsträger, die die Aufklärung nicht konsequent genug vorangetrieben haben.“

Im Fokus steht hier unter anderem der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, früher Personalchef in Köln. Es ist bekannt, dass Heße in dem von Woelki zurückgehaltenen Gutachten kritisch beurteilt wird. Bätzing wies darauf hin, Heße habe die Bischofskongregation im Vatikan darauf aufmerksam gemacht, dass er im Fokus einer Untersuchung stehe, „deren Ergebnisse er nicht kennt, deren Ergebnissen er sich aber beugt“. Damit ist das von Woelki neu in Auftrag gegebene Gutachten gemeint, das am 18. März veröffentlicht werden soll. Heße habe gesagt, er sei sich nicht bewusst, derart gravierende Fehler gemacht zu haben, dass er zurücktreten müsse, sagte Bätzing. „Aber wenn es so ist, wenn es nachgewiesen (werden) kann, dann hat er mit diesem Signal an die Bischofskongregation auch deutlich gemacht, dass er sich dem stellt.“

Bätzing beklagte eine in seinen Augen unausgewogene Darstellung der Kirche. „In der öffentlichen Wahrnehmung ist es so, als ob die Kirche sich überhaupt nicht bewege.“ Das sei nachweislich nicht der Fall: „Im Schatten von Köln liegen erfolgreiche Aufklärungsvorgänge.“

Dazu sagte der Münsteraner Professor Schüller, es sei richtig, dass eine größere Gruppe von Bischöfen die Aufklärung von Missbrauch vorantreibe. „Aber: Unter dem medialen Fokus auf die desaströse Nichtaufklärung von Missbrauch durch den Kardinal von Köln konnte eine Reihe von Bischöfen unter dem Radar der Wahrnehmung bleiben.“ Dazu gehöre auch der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Stephan Ackermann. Dieser stehe in seinem eigenen Bistum Trier mit der Aufklärung erst am Anfang.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer kritisierte den Münchner Kardinal Reinhard Marx, der Woelkis Verhalten als „verheerend“ bezeichnet hatte. Pfeiffer findet das „verlogen“. „Wenn jetzt Marx über Woelki herfällt, dann ist das im Glashaus sitzen und mit Steinen werfen, weil er ja dasselbe getan hat.“ Marx habe sich jahrelang unabhängigen Untersuchungen in seinem Bistum widersetzt, weil er Angst gehabt habe, dass Vertuschungen durch den früheren Kardinal Joseph Ratzinger herauskommen könnten. „Marx ist der Hauptschuldige dafür, dass wir zehn Jahre nach Entdeckung des Missbrauchsthemas immer noch keine Transparenz haben“, sagte Pfeiffer. „Immer noch brauchen Bischöfe nicht Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn sie Täter geschützt und Opfer vernachlässigt haben.“

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