Nüßlein lässt Amt als Unions-Fraktionsvize ruhen

von Redaktion

Lobby-Vorwürfe: Allein an Bayern soll er Masken für gut 14 Millionen Euro vermittelt haben

München – Für die Berliner Unions-Fraktion ist der Freitag ein Tag der Ratlosigkeit. Die ganze Sache sei noch gar nicht richtig zu fassen, sagt ein bayerischer Abgeordneter. Man kenne die Vorwürfe nicht im Detail und wisse auch nicht, ob etwas dran sei. Andererseits: Politisch ist das fast zweitrangig. Der Schaden ist längst angerichtet.

Die Sache, das sind die Korruptionsvorwürfe gegen den schwäbischen CSU-Bundestagsabgeordneten und Vize-Fraktionschef Georg Nüßlein. Dem 51-Jährigen wird vorgeworfen, bei der Bundes- und der Staatsregierung für einen hessischen Maskenhersteller lobbyiert und dafür eine satte – und unversteuerte – Provision in Höhe von 660 000 Euro kassiert zu haben. Erst am Donnerstag hatte die Generalstaatsanwaltschaft München 13 Objekte durchsucht. Die beschlagnahmten Dokumente müssen jetzt ausgewertet werden – das kann dauern.

Nüßlein selbst schweigt zu den Vorwürfen, lässt aber durch seinen Anwalt ausrichten, man halte sie für unbegründet. Um etwas Dampf aus dem Kessel zu nehmen, zieht der Abgeordnete am Freitag allerdings erste Konsequenzen. Er lässt sein Amt als Vize-Fraktionschef ruhen. Nüßlein, heißt es, habe das selbst vorgeschlagen.

Die Vorwürfe treffen nicht nur ihn – auch die Regierungen in Berlin und München müssen sich Fragen gefallen lassen. Nüßlein soll sowohl beim Bundesinnenministerium als auch beim Bundes- und dem bayerischen Landesgesundheitsministerium für die hessische Firma geworben haben. Laut „Spiegel“ hat das damals noch von Melanie Huml (CSU) geführte Münchner Ministerium im März letzten Jahres Masken im Wert von 14,25 Millionen Euro bei der Firma gekauft. Im Haus von Jens Spahn (CDU) soll Nüßlein demnach gleich mehrere Angebote platziert haben. Die Sache lief vermutlich über Spahn selbst, der die Angebote aber nur weitergeleitet haben will.

Spahn äußerte sich am Freitag zurückhaltend. Bei der Prüfung des Angebots seien „nach meinem Kenntnisstand“ keine Unregelmäßigkeiten aufgefallen. Auch die anderen betroffenen Ministerien sind extrem vorsichtig. Sie antworteten schriftlich und fast inhaltsgleich: Man unterstütze die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft. Durchsuchungen im Münchner Gesundheitsministerium hat es aber offenbar nicht gegeben.

Den Deal soll Nüßlein über seine Berliner Firma Tectum Holding abgewickelt haben. Ob und wie das Geld geflossen ist, ist Gegenstand der Ermittlungen. Der Verein Lobbycontrol fordert in diesem Zusammenhang Nachbesserungen bei den veröffentlichungspflichtigen Angaben. Zwar müssen Bundestagsabgeordnete Nebentätigkeiten angeben, etwa Funktionen in Unternehmen. Doch es gibt Lücken. So sind Einkünfte aus Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften nicht anzeigepflichtig.

Bei Nüßlein fällt auf, dass er zwar allgemein eine Beteiligung an der Tectum Holding GmbH angibt, nicht aber, dass er ihr Geschäftsführer ist. „Wir brauchen mehr Lobbytransparenz“, sagt Christina Deckwirth von Lobbycontrol. Der Verein hofft, dass noch in dieser Wahlperiode ein Lobbyregistergesetz verabschiedet wird. In dieses Register müsste sich jeder Lobbyist eintragen, der mehrmals Kontakt zu Abgeordneten sucht. Die Chancen seien zuletzt aber geschwunden. M. MÄCKLER, D. WALTER

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