Die Angst vor weiteren Nüßleins

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Wer wissen will, wie nahe der CSU der Fall Georg Nüßlein geht, muss ausnahmsweise genau auf eine offizielle Verlautbarung des Generalsekretärs hören. Mit vor Zorn fast bebender Stimme tritt Markus Blume am Nachmittag vor eine Kamera in München. Die CSU „verurteilt in aller Deutlichkeit, dass Volksvertreter die Krise zum Geschäft machen“, sagt er, spricht von „null Toleranz“. Und: „Wer sich an der Not bereichert, lässt es am moralischen Kompass und an politischem Anstand fehlen.“

Nach 270 Sekunden ist das sehr klar. Genauso deutlich wird aber: Die Partei ist machtlos. Eine Stunde hat sich das Präsidium, also der engste Führungszirkel um Markus Söder, per Video zusammengeschaltet, um über den Maskendeal und die Korruptionsermittlungen gegen Parteifreund Nüßlein zu reden. Er wird die Fraktion verlassen, auch die Partei. Sofort auf sein Mandat und die damit verbundenden Diäten und Altersansprüche verzichten will der 51-jährige Schwabe aber weiterhin nicht. Und niemand kann ihn ohne Urteil dazu zwingen.

Druck fehlt nicht. „Ein klarer Schnitt ist besser als ein Verlängern“, sagt CSU-Chef Söder. In einem offiziellen Beschluss fordert das Parteipräsidium den Bundestagsabgeordneten dazu sowie zu finanzieller Wiedergutmachung auf. Die rund 660 000 Euro, die wohl über Umwege an ihn geflossen sind, sollen gespendet werden. Dazu gibt es aber von ihm null Signal. Derweil zieht der zweite Unionsabgeordnete im Feuer, der Baden-Württemberger Nikolas Löbel (34 Jahre, 250 000 Euro Provision), härtere Konsequenzen, Mandatsverzicht und Parteiaustritt.

Dass der CDU-Missetäter konsequenter vorgeht als der von der CSU, verärgert die Söder-Leute ganz besonders. Die Lage sei zum Erbrechen, heißt es im CSU-Vorstand, allerdings in noch derberen Worten. Nüßlein wurde sogar ein Amtsenthebungsverfahren angedroht. Für die ganze Union ist der Maskenskandal im Wahljahr verheerend. Die Umfragen sinken. Und weiteres Unheil naht. Hinter vorgehaltener Hand wird mit ein, zwei weiteren Fällen gerechnet; „Zweifelsfälle“, raunt man in der CDU. Hinzu kommt die Sonderkonstruktion des ehemaligen bayerischen Justizministers Alfred Sauter, der als Anwalt einen Teil der Nüßlein-Verträge aufsetzte. Das ist legal, weil er in diesem Moment nicht als CSU-Landtagsabgeordneter handelte, aber eben auch ein Verdienen an der Not. Kleine Ironie der Geschichte: Sauter sitzt selbst im Präsidium.

Jens Spahn will nun weitere Namen nennen. Auf Anfrage will er alle Bundestagskollegen öffentlich machen, die seinem Bundesgesundheitsministerium Masken-Geschäfte vermitteln wollten. „Wir wollen volle Transparenz in einem geordneten Verfahren ermöglichen“, sagt Spahn dem „RND“. Hier ist indes zu differenzieren: Viele Abgeordnete haben, was auch ihr Job ist, unentgeltlich geholfen, um Angebote aus ihren Wahlkreisen zu vermitteln. In der CSU-Spitze hofft man inständig, dass auch die EU-Abgeordnete Monika Hohlmeier zu dieser Kategorie zählt. Intern soll sie das mehrfach versichert haben.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt schiebt zudem strengere Regeln für die Abgeordneten an. Die Fraktion soll einen Kodex beschließen, dass für die Führung der Fraktion Regeln gelten wie für Minister und Staatssekretäre, sagt Dobrindt. Also: kein Gewerbe, kein anderer Beruf, keine Aufsichtsratsmandate, jedes Geschenk müsste gemeldet werden. Nüßlein war als Vizechef Teil der Fraktionsführung.

Der Masken-Zoff wird im Wahlkampf landen. Der Koalitionspartner SPD schimpft im Netz bereits über die Union als „Verein von Schwarzen Kassen, Bimbes und Amigos“. Dennoch gibt es gemeinsame Ansätze: Die Generalsekretäre von CDU, SPD, FDP und Grünen planen zudem, die Transparenzregeln für Parteispenden zu verschärfen. Bisher muss eine Spende bis 9999 Euro nicht namentlich veröffentlicht werden.

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